No Esso, no war?

Auch in Deutschland werden immer mehr US-Produkte boykottiert: Köche verwenden kein Heinz-Ketchup mehr

BERLIN taz ■ Die Boykott-Aktionen gegen Produkte aus den USA mehren sich auch in Deutschland: Köche streichen Heinz-Ketchup von der Speisekarte, Kneipiers reichen keinen Whisky mehr über den Tresen, Friedensaktivisten verbreiten per E-Mail Tabulisten.

„Wir wollen ein Zeichen setzen“, sagt der Koch, Martial Bruzeau vom Chez Alfred in Hamburg. In der Hansestadt haben zehn französische Restaurantbesitzer amerikanische Produkte ausrangiert. In der Kreuzberger Osteria, Berlin, wird die deutsche Afri Cola statt der Coca-Cola angeboten. Inhaber Fabio Angile: „Wir wollten die Amerikaner da treffen, wo es wehtut – in ihren Brieftaschen.“ Der Bremer Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel aber dämpft die Erwartungen: „Generelle Boykotts machen keinen Sinn, fallen hinter unsere weltweiten wirtschaftlichen Verflechtungen zurück.“ Dem Aufruf hier folge der Aufruf dort. Louis Bouillon, der als Koch den Stein in Hamburg ins Rollen brachte, bestätigt: „Es war auch eine Retourkutsche gegen den Boykott von französischem Wein und Camembert in den USA.“

Ein anderes Problem der globalisierten Märkte: Kaum einer durchschaut noch, welches Produkt zu welcher Firma gehört. So stehen Shampoos der Wella AG derzeit auf den Tabulisten in den USA, hätten mittlerweile ihren Platz aber auf denen in Europa. Denn Wella wurde vor kurzem vom US-Konsumgüterriesen Procter and Gamble geschluckt. Überhaupt verspricht der Einkauf stressig zu werden. Der eine oder andere weiß zwar, dass Miracel Whip zu Kraft und damit zum amerikanischen Nahrungsmittelmulti Altria, ehemals Philip Morris, gehört. Wurde die Mayonnaise deshalb auch in den USA produziert?

Pure amerikanische Lebensmittel wie kalifornischer Rotwein oder Erdnüsse machen laut amerikanischer Handelskammer gerade mal drei Prozent der Importe von insgesamt rund 40 Milliarden Dollar pro Jahr aus. Die großen Brocken liegen mit jeweils 20 Prozent bei Maschinen und Elektrotechnik. Kraftfahrzeuge haben einen Anteil von sechs Prozent, dabei handelt es sich vor allem um Teile von Zulieferern. Firmen können allerdings genauso boykottieren: So ordert der Darmstädter Fahrradhersteller Müller und Riese ab sofort keine Teile mehr aus den USA. „Das haben wir mit unseren 30 Mitarbeitern beschlossen“, erklärt Geschäftsführer Heiko Müller. Eigentlich kauft er im Jahr für mehr als 280.000 Euro in den Staaten ein.

Neu sind Boykotts von Käufern auch in der Bundesrepublik nicht – und viele haben gewirkt. Lange Jahre fehlten in den Regalen südafrikanische Produkte als Zeichen gegen die Apartheid. Nestlé nahm den Gen-Schokoriegel „Butterfinger“ nach kurzer Zeit wieder vom Markt, weil er sich aufgrund von massiven Protesten von Greenpeace und Verbrauchern als Ladenhüter entpuppte. Shell versenkte seine Ölplattform nicht wie vorgesehen im Meer, weil Autofahrer die Shell-Tankstellen boykottierten.

„Das wiederum macht Sinn“, findet selbst Rudolf Hickel. Friedensaktivisten rät er, nun Profiteure des Krieges zu boykottieren. Etwa den größten amerikanischen Ölkonzern Exxon Mobil, der hier unter dem Namen Esso bekannt ist. Unlängst hatte die Deutsche Bank geäußert, nach einem Regimewechsel im Irak könne Exxon Mobil die „pole position“ zufallen.

Eine andere Idee kommt aus Belgien: Die Organisation For Mother Earth ruft auf ihrer Homepage www.motherearth.org dazu auf, Firmen zu boykottieren, die Bush im Wahlkampf unterstützt haben. An Exxon geht offenbar kein Weg vorbei: Der Ölkonzern sponserte die Republikaner laut Greenpeace (www.stopesso.com) mit mehr als einer Million US-Dollar. Microsoft übrigens auch. Für das Wochenende kündigen Globalisierungskritiker von Attac Blockaden von Esso-Tankstellen in Bochum und Köln an.

HANNA GERSMANN