zwischen den rillen
: Denker des deutschen HipHop: ASD und Curse

Vor der Zeit gealtert

Taten sich in der Geschichte der populären Musik abgehalfterte Stars zu Supergroups zusammen, war das meist allerletztes Aufbäumen eines sterbenden Genres. Im HipHop mögen die Gesetze anders sein und der gegenseitige Gastauftritt grundsätzlich zwanghaftes Ritual: Aber wenn sich mit Samy Deluxe und Afrob zwei erfolgreiche Rapper zusammentun, um unter dem griffigen Markennamen ASD ein ganzes Album einzuspielen, lässt sich das doch zumindest deuten als Symptom, das einen kritischen Moment markiert im Jahr eins nach dem kommerziellen Kater des deutschen HipHop.

Mit Samy Deluxe, den viele für den technisch versiertesten Rapper der Republik halten, und Afrob, der mit „Made in Germany“ schon vor zwei Jahren mal ein afrodeutsches Konzeptalbum herausbrachte, kollaborieren nun nicht nur zwei der prominentesten Vertreter ihre Zunft, sondern zudem auch noch zwei Aushängeschilder der beiden heimischen HipHop-Hochburgen Hamburg und Stuttgart. So gesehen sollte „Wer hätte das gedacht?“, das erste Album von ASD, einen Neuanfang kennzeichnen.

Macht es aber nicht. Zwar bollern die Beats mal wie ein schunkelndes Bierzelt und stolpern dann so krank synkopiert daher, wie es momentan Mode ist in den USA. Dort, im Ursprungsland, haben ASD den Großteil ihrer Instrumentals in Auftrag gegeben, um Weltniveau zu garantieren. Aber vom Cover, auf dem die beiden breitbeinig posieren, bis hin zu den Reimen ist dies eine ganz traditionelle Rap-Platte geworden. Authentizität bleibt die zentrale Kategorie: „Wir verkaufen keine Träume, sondern nur die kalte Wirklichkeit“, verspricht Afrob.

Das Thema Ethnizität bleibt dabei im Hintergrund. Auf der Single „Sneak Preview“ fragt Samy zwar rhetorisch zu einem flotten arabischen Sample: „Oh Schreck, sind die zwei etwa pro-black?“, und in „Frage/Antwort“ verteidigen beide noch einmal ihr Engagement bei den Brothers Keepers. Das bildet aber nur eine Folie für längst als klassisch verbürgte Thematiken: Ich im Rap, mein Leben als Rapper und Rap überhaupt.

Im Gegensatz zu ASD, die mit ihrem bewusst klassischen Rap-Entwurf notgedrungen an vorderster Kommerzfront operieren, hat Michael Kurth aus dem westfälischen Minden stets vor allem seine ganz persönliche Nische gesucht. Unter dem Alias Curse etablierte er sich als der große Allesversteher des deutschen HipHop: Statt zu schimpfen, raspelt er Süßholz, nennt Frauen „Mädels“, aber rappt trotzdem schon mal mit dem berüchtigten Kool Savas, für den Frauen meist nur „Fotzen“ sind. Das mochte manchem wie unvereinbare Widersprüche erscheinen, aber Curse blickte ernst durch seine Designerbrille und bediente erfolgreich ein mittelgroßes Marktsegment, das dem Einzelgänger mit selbst verordnetem Tiefgang immerhin ein geregeltes Einkommen garantierte. „Ich versteh dich“, verspricht Curse auch auf seinem nunmehr dritten Album „Innere Sicherheit“, der höchstwahrscheinlich ersten deutschen Rap-Platte, auf der das Wort „kuscheln“ unironisch gebraucht wird.

Gleich im ersten Song wird, weil unverzichtbar, das eigene Verhältnis zu HipHop geklärt. Anschließend aber folgen prompt eine Liebeserklärung an „Leute, die sich angekettet auf Gleise setzen“, ein Plädoyer für „CDs für weniger Geld“, ein Analyseversuch zur Politikverdrossenheit („Was ist los mit uns?“) oder ein Loblied auf die Freundschaft. So geht es immer bedenkenträgerhaft weiter in meist eleganten Reimen voller schwerwiegender Metaphern zu schwerblütigen Beats. Allerdings: Wie um seine allumfassende Güte auch musikalisch zu illustrieren, finden sich auch Einflüsse übelsten Schweinerocks oder Schmalzsouls. Das alles wirkt mitunter eloquent, meist ehrenhaft und immer bemüht. Vor allem aber seltsam: Denn mit Hilfe seiner offensiv vorgetragenen Altersweisheit wirkt der gerade mal 24-Jährige vor der Zeit gealtert. Damit entspricht er aber womöglich am treffendsten dem gegenwärtigen Zustand des deutschen HipHop. THOMAS WINKLER

ASD: „Wer hätte das gedacht?“(Capitol/EMI); Curse: „InnereSicherheit“ (Alles Real/Jive)