ein arabisches tv-tagebuch
: Sélim Nassib über den Irakkrieg auf al-Dschasira

Nach dem Rauswurf

Die Ansagerin sagt, dass die irakischen Verantwortlichen einem der Korrepondenten von al-Dschasira „untersagt haben, seine Arbeit fortzusetzen“ und einen anderen aufgefordert hätten, den Irak zu verlassen. Als Reaktion auf diese „überraschende und ungerechte“ Entscheidung hat der Sender beschlossen, „die Aktivitäten aller seiner Korrespondenten im Irak zu beenden“. Diese Ankündigung wird regelmäßig zu Beginn des Nachrichtenüberblicks wiederholt, ohne jeden weiteren Kommentar. Niemand erklärt, was den Journalisten Dyar al-Omari und Tayssir Allouni überhaupt vorgeworfen wird, noch warum zwischen dem irakischen Regime und dem meistgesehenen Informationssender der arabischen Welt das Betttuch zerschnitten ist. Keine einzige Frage geht an den irakischen Informationsminister, dessen Pressekonferenz wie jeden Tag in voller Länge übertragen wird.

Seit Kriegsbeginn pflegt al-Dschasira einen feindseligen Ton gegenüber dem Einmarsch und hat sich jeder direkten Kritik an Saddam Husseins Regime enthalten. Aber dieser toleriert vielleicht nicht mehr, dass in diesen angespannten Tagen auch Kurden sowie Vertreter der Kriegskoalition zu Wort kommen.

Die Amerikaner kündigen an, dass sie nur noch zehn Kilometer vor Bagdad stehen, nicht weit vom Flughafen entfernt, und die Briten bestätigen, in Basra eingerückt zu sein. Da kann der irakische Informationsminister noch so viele Fotos eines abgeschossenen F18-Bombers zeigen und verkünden, dass „die heroische republikanische Garde dabei ist, den Söldnern eine Lektion zu erteilen, die sie niemals vergessen werden“ – man glaubt das immer weniger.

Je mehr er versucht, diejenigen Journalisten zum Schweigen zu bringen, die ihm missfallen, desto mehr scheinen sich seine Siegesbekundungen von der Realität zu entfernen. Auf al-Dschasira gibt es keine Korrespondenten mehr, die direkt von den Dächern von Bagdad oder Basra aus berichten, keine Kommentare mehr über die Stimmung in den bombardierten Städten, keine Reportagen mehr aus den Krankenhäusern der Stadt oder über Orte unter Granatenbeschuss. Der Sender funktioniert weiter normal, alle Informationen werden gegeben, aber es gibt keinen lebendigen Augenschein mehr: Die Subjektivität der irakischen Bevölkerung ist aus dem Sender verschwunden. Um dieses Loch zu füllen, zeigt er stumme Abfolgen, Bilder von Soldaten in Aktion, verwüstete Straßen, Verletzte, brennende Fackeln auf Ölquellen. Ein amerikanischer Militär steht aufrecht auf seinem Panzer. Er singt und wiegt sich hin und her und fordert eine Gruppe irakischer Kinder auf mitzumachen. Die Kinder lachen und gehen auf das Spiel ein. Das Ganze endet damit, dass sie immer wieder hinter ihm schreien: „Shake, shake your body, baby.“ Die irakischen Zensoren müssten vor Wut in ihre Käppchen beißen. SÉLIM NASSIB

Sélim Nassib begleitet in seiner Kolumne die Berichterstattung des arabischen TV-Senders al-Dschasira