Top-Neben-Verlust

Geschäft mit der Arbeitslosigkeit: Verbraucher-Zentrale gibt Liste mit unseriösen Firmen heraus, die lukrative Nebenjobs versprechen

„Behörden haben unseriöse Firmen noch nicht richtig im Visier“

von ELKE SPANNER

Die Versuchung klebt am Ampelpfahl. Wer geduldig auf die Grünphase wartet und den zunächst unscheinbaren Zettel liest, hat angeblich die Chance auf einen „Top-Nebenverdienst“, auf leichte Arbeit von zu Hause aus und ein Girokonto, das voller ist als beim Fulltime-Job in der Leitungsebene eines Konzerns. „Je verlockender das Angebot ist“, warnt Edda Castello von der Hamburger Verbraucher-Zentrale (VZH), „desto größer sollte Ihr Misstrauen sein.“ Die VZH hat gestern eine Liste veröffentlicht mit unseriösen Anbietern von Nebenjobs. Denn die Anfragen über windige Firmen werden laut Geschäftsführer Günther Hörmann immer mehr.

Hätte Willi Bühler diese schwarze Liste gekannt, hätte er viel Geld gespart. Er hoffte auf eine „zweites Standbein“, als er 1998 eine Kleinanzeige der Firma „Network Marketing“ las. Nur wenige Tage später hatte er einen Vertrag unterschrieben, der ihn zum Vertreter von Kosmetik machen sollte – und ihn verpflichtete, zunächst für 650 Mark Waren zu beziehen. In den folgenden Monaten wurde er immer wieder zu Schulungen und Meetings geladen – auf eigene Kosten. „Das muss erst anlaufen“, vertröstete man ihn, wenn er darauf hinwies, dass das mit dem Verkauf der überteuerten Produkte so gar nicht klappt. Zunächst, lautete der Tipp, solle er es auf dem „warmen Markt“ ausprobieren, im Freundes- und Bekanntenkreis. Daraufhin, sagt Bühler, habe er „unser ganzes Adressbuch durchgemacht, und am Ende hatten wir keine Freunde mehr“. Das Ende kam zwei Jahre später, als er endlich den Absprung schaffte. Zu dem Zeitpunkt, sagt Bühler, hatte er ungefähr 9000 Mark investiert.

Achim H. hat für seinen Wunsch, nach Jahren der Arbeitslosigkeit wieder einen Job zu finden, 3000 Mark bezahlt. Noch einmal eine Anstellung als Architekt zu bekommen, hatte er aufgegeben. Er fiel auf die Offerte einer Firma rein, die ihn zum Makler ausbilden wollte. Er kaufte das teure „Informationsmaterial“ – nur Wohnungen, die er anschließend gegen Provision hätte vermitteln können, brachte ihm das nicht. Auch Hilse und Horst Duncker haben sich übers Ohr hauen lassen. Sie hatten auf die Annonce einer Firma geantwortet, die ihnen über 200 Euro im Monat dafür versprach, dass sie ihr Auto als Werbefläche zur Verfügung stellen. Der Service der Firma aber sollte allein darin bestehen, die Adresse des Ehepaares als potenzielle Werbeträger ins Internet zu stellen. Dafür kassierte die Firma 76 Euro – und die sollten die Dunckers abbezahlen, indem sie zu einem überteuerten Preis eine Fernsehzeitschrift abonnieren. Sie waren geistesgegenwärtig genug, den Vertrag am Folgetag gleich wieder zu kündigen.

Edda Castello von der VZH sagt, dass man die windigen Firmen eigentlich leicht erkennt: „Unseriöse Anbieter erkennt man daran, dass man Vorkasse leisten muss.“ Das Problem aber ist, dass das oftmals versteckt erfolgt. Über Anrufe bei einer 0190-Nummer beispielsweise. Oder indem man zunächst „Informationsmaterial“ über die Firma kaufen muss. Andere Scheinfirmen verpflichten die Mitarbeiter, ihnen Computerprogramme oder eine angebliche Kundenkartei abzukaufen. Eine Firma beispielsweise verspricht Jobs auf einer Ölbohrinsel und kassiert hohe Summen für angebliche Visa-Gebühren. Nur die Bohrinsel gibt es nicht.

Viele der inserierenden Anbieter arbeiten mit Scheinadressen. Hat man einmal bezahlt, warnt Verbraucherschützerin Castello, „hört man nie wieder etwas von der Firma“. Für Privatleute sei es schwer, den Weg ihres Geldes dann nachzuvollziehen. Oftmals hätten die Geschäftemacher ein Callcenter oder einen Büroservice zwischengeschaltet, der den Schriftverkehr erledigt und keine Auskunft über den Auftraggeber geben kann. Hier sind laut VZH-Geschäftsführer Hörmann Behörden und Staatsanwaltschaft gefragt. „Die haben die unseriösen Firmen noch nicht richtig im Visier.“

Die Schwarze Liste ist abzurufen unter www.vzhh.de