Sonst machen wir eben dicht

In der Anhörung zum Kauf der „Berliner Zeitung“ durch den Holtzbrinck-Verlag droht sowohl dieser als auch Springer mit der Einstellung von Zeitungen

aus Berlin ARNO FRANK

Das Bundeskartellamt hat sie verboten und die Monopolkommission sie untersagt: die geplante Fusion von Tagesspiegel und Berliner Zeitung unter den Fittichen der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck GmbH. Nun soll Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD), die Ferienbräune noch im Gesicht, bei der Neuordnung des Berliner Zeitungsmarktes das letzte Wort sprechen. Spätestens bis zum 13. Mai muss er entscheiden, ob Holtzbrinck (Handelsblatt, Die Zeit), zu dem der sieche Tagesspiegel gehört, sein Portfolio um die profitable Berliner Zeitung erweitern darf. Und um die Erlaubnis des Ministers zu erringen respektive abzuwenden, fuhren alle am Berliner Zeitungsmarkt Beteiligten auf der gestrigen Anhörung im Großen Saal des Bundeswirtschaftsministeriums schwerste Geschütze auf – bis auf die taz, die war nicht geladen.

Den Anfang macht Stefan von Holtzbrinck, der für den Fall, dass Clement nicht doch noch einer Übernahme der Berliner Zeitung durch Gruner + Jahr zustimmt, ein denkbar düsteres Bild für den Tagesspiegel zeichnet. Nur durch eine Kooperation mit der Berliner Zeitung in den Bereichen Technik, Vertrieb und Anzeigengeschäft sei der 1992 übernommene Tagesspiegel noch zu retten. Trotz Auflagen- und Qualitätssteigerung schreibe das Blatt „hohe Verluste“, die sich sein Haus nicht länger leisten könne: „Es bleibt uns dann nichts anderes übrig, als ihn einzustellen.“ Im Übrigen sei ein Erhalt des Tagesspiegels im „überragenden Interesse der Allgemeinheit“ – die gesetzliche Bedingung für die Erlaubnis. Holtzbrinck verweist, neben den 300 Arbeitsplätzen, auch auf die gefährdete publizistische Vielfalt in der Hauptstadt.

Clement nimmt den Verleger ins Kreuzverhör: „Halten Sie eine Kostenreduktion im redaktionellen Bereich wirklich für undenkbar?“ Holtzbrinck: „Unser Budget ist deutlich niedriger als bei der Konkurrenz. Weitere Einsparungen bedeuten den Beginn einer qualitativen Abwärtsspirale“, der Tagesspiegel sei nach Ausschöpfung aller Spar- und Rationalisierungspotenziale nicht mehr als Qualitätsprodukt zu vermarkten. Clement: „Gab es denn konkrete Versuche, den Tagesspiegel zu veräußern?“ Da wendet sich Holtzbrinck bemerkenswerterweise an seinen Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, der in der ersten Reihe sitzt: Kooperationen mit der Frankfurter Allgemeinen oder der Süddeutschen Zeitung hätte es geben können, was den Tagesspiegel aber zu einem Lokalblatt herabgewürdigt hätte. Clement hakt nach: „Ist der Bauer-Verlag interessiert, ja oder nein?“ Nur am Berliner Verlag insgesamt, räumt Holtzbrinck ein – und betont, es gebe definitiv keinen Interessenten für den Tagesspiegel. Clement versucht’s anders: „Die Tagesspiegel-Verluste sind doch überschaubar – nicht für mich, aber für Sie, für einen so potenten Verlag. Der Tagesspiegel ist doch Ihr Flaggschiff!“ Holtzbrinck erklärt, bei einer „negativen Umsatzrendite von über 10 Prozent“ könne von einem Flaggschiff keine Rede sein. Um dem Minister die Erlaubnis schmackhaft zu machen, setzt Holtzbrinck auf das „Berliner Modell“ einer Stiftung. Sie soll die autonome Arbeit der zwei Redaktionen gewährleisten und einem Kuratorium aus neun Mitgliedern unterstehen.

Peter Asmussen aus der FAZ-Geschäftsführung mag davon nichts wissen und erklärt das publizistische Konzept des Tagesspiegels für „nicht marktfähig“. Die Zeitung müsse sich von ihrem nationalen Anspruch verabschieden. Kein Wunder, fürchtet doch die Märkische Allgemeine Zeitung, an der die FAZ beteiligt ist, dass im Falle einer Fusion ihr Anzeigengeschäft im Speckgürtel Berlins wegbricht.

Größter Gegner einer Zusammenlegung aber ist der Axel Springer Verlag (ASV), in dessen Namen Geschäftsführer Josef Probst den Minister eindringlich vor einer Erlaubnis warnt. Clement würde damit einen „irreversiblen Vorgang“ initiieren, der den „Todesstoß“ für die Berliner Morgenpost und Die Welt bedeuten würde. Was denn das eine mit dem anderen zu tun habe, will Clement mit Blick auf „die Hygiene des Gesprächs“ ganz genau wissen. Da muss Herausgeber Dieter Stolte einräumen, dass Die Welt zwar seit langem defizitär ist. Aber hinsichtlich des geplanten Börsengangs des ASV sei eine „Quersubventionierung“ des Blattes nicht länger machbar.

Beide großen Verlage drohen, ihre angesehensten Blätter einzustellen – und die Schuld trägt, so oder so, der Minister. Wie aus dieser Zwickmühle politisches Kapital zu schlagen ist, macht schon mal Günter Nooke vor, der medienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: Gäbe Clement seine Erlaubnis, wäre dies „ein Schritt in die publizistische Staatswirtschaft, das ist Berlusconi von links“.