Rechte erreichen die City

Die Protestsaison für Antifas ist eröffnet. Zunehmend werden rechte Aktionen um den 1. Mai bekannt, auch die der „Kommissarischen Reichsregierung“ in Mitte. Am Samstag geht’s erst mal zur NPD

von HEIKE KLEFFNER

Für das Bündnis „Gemeinsam gegen rechts“ beginnen die Aktivitäten gegen die extreme Rechte am 1. Mai schon am Samstag. Da trifft sich das von Ver.di und unabhängigen Antifa-Gruppen getragene Bündnis um 14 Uhr am S-Bahnhof Spindlersfeld, um an der Abschiebehaftanstalt Grünau und der in der Nähe gelegenen Bundesgeschäftsstelle der NPD zu demonstrieren.

NPD-Pressesprecher Klaus Beier gibt sich derweil optimistisch, dass seine Partei „auf jeden Fall“ am 1. Mai in Charlottenburg demonstrieren wird. Beier geht von mindestens 1.500 Teilnehmern aus. „Es können aber auch 2.000 bis 3.000 kommen.“ Angekündigt hätten sich neben NPD-Kreis- und -Ortsverbänden aus dem gesamten Bundesgebiet auch militante Freie Kameradschaften sowie „Basis“ von Republikanern und DVU. Nach dem Scheitern des Verbotsantrags gehe es nun darum, das „Dreisäulenkonzept“ umzusetzen und den „Kampf um die Straße, die Köpfe und die Parlamente“ fortzuführen, so Beier. Für den Aufmarsch über die Heerstraße zum Olympiastadion werden zudem Delegationen von rechten Gesinnungsfreunden aus Italien, Spanien, England und Skandinavien erwartet. Als Hauptredner ist neben NPD-Parteichef Udo Voigt der Hamburger Rechtsanwalt und langjährige Neonazi-Aktivist Jürgen Rieger angekündigt. In der Szene gilt Rieger, der unter anderem mit der völkischen „Artgemeinschaft“ eine eigene neonazistische Eliteförderung betreibt, als Vertreter des offen nationalsozialistischen Flügels.

Während in den rechten Internetforen bundesweit Busplätze nach Berlin angeboten werden, ist die Berliner Neonaziszene am 1. Mai gespalten. Die militanten Freien Kameradschaften um den langjährigen Neonazikader Oliver Schweigert riefen nämlich zur Demo nach Halle, wo sich das militante Neonazispektrum versammeln will. Der im April dieses Jahres neu gegründete NPD-Landesverband Berlin schweigt bislang zum Thema Erster Mai. Lediglich der neue stellvertretende Berliner NPD-Landesvorsitzende Jörg Hähnel ist an dem Tag schon fest gebucht. Der berüchtigte „nationale Liedermacher“ soll vor den versammelten Kameraden in Berlin singen. Abzuwarten bleibt, für welchen Aufmarschort sich altgediente Vertreter des nationalsozialistischen Flügels der Berliner NPD wie der ehemalige Kroatiensöldner und „NPD-Organisationsleiter“ Eckart Bräuninger entscheiden werden. Im szeneinternen Machtkampf zwischen NPD und Freien Kameradschaften gilt der Erste Mai auch als erster Testballon nach dem Scheitern des NPD-Verbots dafür, ob die NPD ihre selbst behauptete Führungsrolle in der extremen Rechten nach zweijähriger Stagnationsphase wieder einnehmen kann.

Umso wichtiger sei es, den NPD-Aufmarsch nicht ungehindert ziehen zu lassen, argumentiert das Bündnis „Gemeinsam gegen rechts“ und mobilisiert zu Kundgebungen entlang der Neonazi-Marschroute. Dagegen halten der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf und „Europa gegen Rassismus“ an der „Kehraus“-Aktion im Anschluss an die rechte Demonstration fest. Christian Gaebler, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD im Abgeordnetenhaus, „kann zwar verstehen“, wenn Leute den NPD-Aufmarsch nicht einfach hinnehmen wollen und protestieren – solange alles friedlich bleibt. Er hält aber am „Kehraus“ fest, „um die NPD nicht aufzuwerten“.

Ohne Gegendemonstranten hofft derweil eine Gruppe am Morgen des 1. Mai auftreten zu können, die zwischen „rechtsextrem“ und „Sekte“ zu verorten ist. Eine Vorfeldorganisation der „Kommissarischen Reichsregierung“ will am Tag der Arbeit um 10 Uhr auf dem Gendarmenmarkt „gegen die Politik aller Parteien, Verbände und Gewerkschaften“ demonstrieren.