AFGHANISTAN: DIE USA WOLLEN SICH AUS DER VERANTWORTUNG STEHLEN
: Ohne Entwaffnung kein Frieden

Das Ende eines jeden Krieges, gemeinhin als Beginn des Friedens verstanden, ist an sich eine positive Nachricht. Doch in Zeiten, in denen Kriege immer stärker gegen nichtstaatliche Akteure geführt werden, relativiert sich der positive Gehalt. Vor allem dann, wenn der Krieg wie der gegen das afghanische Taliban-Regime nie formal erklärt worden ist und der Frieden bestenfalls permanenter Kleinkrieg bedeuten wird. Die jetzt von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld für seinen Afghanistan-Besuch angekündigte Erklärung, der dortige Krieg sei beendet, ist symbolische Politik, aber nicht die ersehnte Wende zum Frieden.

Die Ironie an Rumsfelds Ankündigung ist, dass sie zu einem Zeitpunkt erfolgt, als wieder einmal US-Truppen in Afghanistan in einen Hinterhalt gerieten, bei dem zwei amerikanische Soldaten getötet wurden. Der Sprecher des US-Militärs vor Ort sagte denn auch zutreffend: „Afghanistan bleibt eine Kampfzone.“ Dort haben in den letzten Monaten die Angriffe von Resten der Taliban, Al-Qaida-Kämpfern oder Anhängern des Warlords Gulbuddin Hekmatjar zugenommen. Mit anderen Worten: Vor einem Jahr war es in Afghanistan schon friedlicher als heute, doch damals war eine Erklärung, der Krieg sei zu Ende, noch nicht opportun.

Die USA haben das Taliban-Regime gestürzt – doch viele führende Köpfe der Taliban und von al-Qaida wurden nicht gefasst. Schlimmer noch ist, dass bisher in Afghanistan niemand entwaffnet wurde. Die Macht der Karsai-Regierung erstreckt sich nur auf Kabul, und auch das nur dank der dortigen internationalen Friedenstruppe. Außerhalb der Hauptstadt herrschen Warlords, die nur ihre eigene Macht im Blick haben. Die Sicherheitslage bleibt in vielen Regionen prekär, der Wiederaufbau außerhalb Kabuls kommt nicht voran. Zwar müssen auch die zivilen und politischen Anstrengungen zur Befriedung Afghanistans gestärkt werden – schließlich stockt die Demokratisierung –, doch solange es weder eine Entwaffnung gibt noch der Aufbau einer afghanischen Armee vorankommt, bleibt Frieden eine Illusion. Den Krieg in einer solchen Situation für beendet zu erklären ist der Versuch, sich aus der militärischen Verantwortung zu stehlen. SVEN HANSEN