BREMEN: DER MUSLIMISCHE OPFERDISKURS ERMUTIGT ZU GEWALTTATEN
: Weder Islamist noch Halbstarker

Ist der Kidnapper von Bremen ein gefährlicher Islamist? Oder ist er ein verwirrter jugendlicher Einzeltäter? Um diese Fragen wird sich die Diskussion drehen. Dabei deutet alles darauf hin, dass der 17-Jährige weder das eine noch das andere ist. Sicher ist auch: Muslimische Einzeltäter werden zahlreicher. In Düsseldorf haben sie einen Anschlag auf eine Synagoge verübt, in Berlin einen Rabbi angegriffen. Es muss gefragt werden: Gibt es Diskussionen und Ideologien in den muslimischen Gemeinden, die Jugendlichen zu Gewalt ermuntern?

Natürlich werden Organisationen wie der Zentralrat der Muslime allein diese Frage als islamfeindliche Provokation betrachten. Dabei könnten die muslimischen Verbände einiges von der Mehrheitsgesellschaft lernen. Jahrzehntelang hat sich Deutschland mit rechten Einzeltätern herumgeschlagen. Nach jedem rechten Übergriff debattierte die Öffentlichkeit über desorientierte junge Menschen ohne organisatorische Anbindung. Es hat lange gedauert, bis sich zwei Erkenntnisse durchgesetzt haben. Erstens: Die Jugendlichen haben eine Orientierung, und zwar eine rassistische. Zweitens: Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen Einzeltaten und ausländerfeindlichen Diskussionen in der politischen Mitte.

Vieles deutet darauf hin, dass sich heute jugendliche muslimische Einzeltäter ermuntert fühlen. Etwa von einem Opferdiskurs, der Israel, die Juden, die USA oder den Westen ganz allgemein für die Verletzungen einer imaginierten, islamischen Welt verantwortlich macht. Mit diesem Diskurs werden verwirrten, erlebnisorientierten Jugendlichen Hinweise geliefert, wo sich mögliche Angriffsziele befinden. Diesem Zusammenhang zwischen den Erzählungen der muslimischen Mitte und dem Handeln jugendlicher Einzeltäter müssten sich die großen muslimischen Verbände stellen. Doch davon sind diese noch weit entfernt. So betont der Zentralrat der Muslime in seiner Stellungnahme zu Bremen: Gewalt gegen Unschuldige darf kein Mittel sein – trotz der vielen Demütigungen, die die muslimische Jugend täglich und weltweit erleidet. EBERHARD SEIDEL