Das Sesamstraßenkind

Medienmädchen III: Sie ist Copyright-Expertin und Frontfrau von „de:bug“, dem Organ für „Musik, Medien, Kultur und Selbstbeherrschung“. Und ihr Name ist sogar „halbwegs echt“: Mercedes Bunz

von SUSANNE KLINGNER

Dieser Text müsste eigentlich auf Speed geschrieben (oder gelesen?) werden, sollen Leser auch nur den Hauch einer Ahnung bekommen, welche Energie durch diese Frau fließt. Mercedes Bunz ist ein Tornado, der durch das kleine Büro von de:bug rast. Da sitzen in den drei Räumen, nicht größer als eine geräumige WG, lauter stille Typen am Schreibtisch, und die Chefredakteurin ruft dem einen was zu, rennt zu ihrem Schreibtisch, schnappt sich schnell ihren Kalender, rennt zum Drucker, entreißt ihm das Papier und zurück zu ihrem Platz. Und dann wieder von vorn. So geht das. So funktioniert Mercedes Bunz.

Und genauso funktioniert de:bug (www.de-bug.de). Ein kleines, feines Magazin, das in seine Mitte den Computer stellt. Und drum herum alles drapiert, was sich daraus machen lässt: elektronische Musik, Online-Medien, Kommunikation, Filmchen et cetera. Und alles verkündet Aufbruch, Fortschritt und Spaß an den Überraschungen in der nächsten Stunde des eigenen Lebens.

de:bug gibt es seit fünf Jahren. Kurz vor der Gründung 1998 war das Techno-Magazin Frontpage Pleite gegangen, und deren Redakteure wurden arbeitslos. „Plötzlich hatten wir einfach nichts mehr zu tun“, sagt Mercedes Bunz. Aber alle begeisterte die Idee, was Eigenes zu machen. Obwohl die meisten von ihnen noch studierten, gründeten sie eine GmbH und funktionierten ein leer stehendes WG-Zimmer zur Redaktion um. „Wir haben das einfach so gemacht, ohne groß nachzudenken. Hätten wir damals gewusst, was auf uns zukommt, hätten wir es wahrscheinlich nicht getan.“ Nach nur zwei Monaten lag die erste Ausgabe von de:bug schon bereit, um in Szene- und Musikläden von Marktlücken Betroffenen mitgenommen zu werden.

Ein bisschen half da sicherlich, dass die letzte Frontpage nicht mehr erscheinen konnte, aber die Texte schon geschrieben und Fotos schon fertig waren. Seitdem gibt es jeden Monat eine neue Ausgabe „Musik, Medien, Kultur und Selbstbeherrschung“. Insgesamt hat es gut zwei Jahre gedauert, bis die Redaktion eine ordentliche Infrastruktur hatte, die das Arbeiten professionalisierte. Einen hohen Anspruch gab es aber von Anfang an: „Wir wollten kein Fanzine machen, wir wollten professionell sein, einen eigenen Stil haben und affirmative Texte schreiben anstatt nur Kritik.“ Und so fanden sich in de:bug schon früh umfassende Texte über das Internet; seitdem viele andere Magazine nachgezogen sind, geht es darum, Geschichten zuerst zu haben – und anders zu sein. „Das hat dann dazu geführt, dass wir unsere Professionalität nutzen wollten, um bewusst unprofessionell zu sein“, erklärt Mercedes Bunz das de:bug-Paradoxon.

Die Frau mit dem unglaublichen Namen, der aber tatsächlich „halbwegs echt ist“, ist 31 Jahre alt und war von Anfang an eine Art Chefredakteurin. Das Wort selbst mag sie nicht, „aber es muss halt jemanden geben, der eine große Klappe hat“. Sie weiß, dass sie viel redet und vor allem viel fragt. „Ich bin ein Sesamstraßenkind. Ich frage so lange, bis ich etwas wirklich verstanden habe.“ Genau das ist wirklich ihr größtes Talent: aus purer eigener Neugier die Dinge bis ins Detail erforschen. Und dann den Lesern weitererzählen.

Rund 40 Prozent aller de:bug-AutorInnen sind Mädchen. Auf eine Frauenquote wird dabei gar nicht geachtet, „das funktioniert einfach so“, sagt Mercedes Bunz. Und: „Wir nehmen grundsätzlich lieber Praktikantinnen.“ Die größte Hürde, die Mädchen ihrer Ansicht in der elektronischen Welt nehmen müssen, ist die Liebe zur Technik. Jungs würden immer noch mit technischerem Kram aufwachsen, „während den Mädchen weiter die Puppe in die Hand gedrückt wird“. Aber gerade deswegen seien Mädchen oft auch sehr gut. „Sie merken, dass sie was Besonderes in der Szene sind, und strengen sich deswegen auch an, besonders gut zu sein. Wenn sie das geschafft haben, gehen sie zu Spex.“

Mercedes Bunz wird die Redaktion auch verlassen. Doch sie zieht es nicht zur intellektuellen Popgazette nach Köln, sondern in die Wissenschaft. Bei de:bug hat sie sich zur Fachfrau für Copyrights geschrieben – und hält zum Thema jetzt Seminare an der Bauhaus-Universität Weimar, Titel: „Das gefährliche Moment der Kopie: Copyright, Autorschaft und digitale Reproduzierbarkeit“.

Mercedes Bunz ist begeistert, wenn sie von der Wissenschaft spricht. Für sie sei das der logische Weg gewesen, „von der Sesamstraßenfragerei an die Uni“. Dafür reduziert sie nach und nach ihre Arbeit bei de:bug. Und will auch bald endgültig Schluss machen mit der Zeitungsarbeit. Ein neues Projekt in diesem Bereich kann sich Mercedes Bunz nicht vorstellen. Vermutlich empfände sie das als Stillstand. Und Stillstand geht nicht. Sie rafft ihre Sachen zusammen und rennt davon, schnell in die nächste Stunde ihres Lebens.