Schröder lässt Sommer kalt

Gewerkschaften demonstrieren am Tag der Arbeit bundesweit gegen Sozialabbau. Kanzler Schröder verteidigt Agenda 2010. Und erntet Buhrufe und Pfiffe. Krawalle in Berlin und Hamburg

BERLIN dpa/ap/taz ■ Trotz lautstarker Proteste ist Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) auf der zentralen Mai-Kundgebung des DGB im hessischen Neu-Anspach nicht von seinem Reformkurs abgewichen. Vor rund 6.000 Menschen verteidigte er am Donnerstag seine Agenda 2010. „Dies ist der Weg, den wir gehen müssen“, sagte er.

DGB-Chef Michael Sommer forderte dagegen eine Änderung des Konzepts. „Es kann nicht nur um die Änderung von Details gehen“, sagte er. Notwendig sei ein Kurswechsel in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Sommer verlangte einen sozial gerechten Umbau des Sozialstaats. „Echte Reformagenda statt Sozialabbau, das braucht unser Land.“ Die Gewerkschaften seien immer bereit, mit der Bundesregierung über die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu reden. „Aber genauso widerstandsfähig sind wir, wenn es um Sozialabbau geht“, betonte Sommer. Durch die Kürzungspläne werde nicht ein neuer Arbeitsplatz geschaffen. Die zentrale Kundgebung des DGB zum Tag der Arbeit stand unter dem Motto „Reformen ja, Sozialabbau nein danke“.

Bundeskanzler Schröder verteidigte seine Reformpläne: Die Beiträge für die Sozialversicherung dürften nicht uferlos steigen, „weil die Beschäftigten mehr netto in der Tasche brauchen“. Die Probleme der sozialen Sicherungssysteme verschwiegen zu haben, sei leider lange genug an der Tagesordnung gewesen. Die Proteste habe er „zur Kenntnis genommen“, sie hätten aber „keine reale Grundlage“. Nur an wenigen Stellen seiner 15-minütigen Rede erhielt er spärlichen Beifall.

Auf zahlreichen Demonstrationen bundesweit forderten die Gewerkschaften die Bundesregierung zu einem Politikwechsel auf. Bis zu eine Million Menschen nahmen nach Darstellung des Deutschen Gewerkschaftsbundes an den DGB-Veranstaltungen am Donnerstag teil.

Zum 1. Mai ist es in Berlin wie in den vergangenen Jahren zu schweren Ausschreitungen gekommen: Im Anschluss an eine Feier zur Walpurgisnacht bewarfen Randalierer die Beamten mit Flaschen und Steinen. Dabei wurden 29 Polizisten sowie eine unbekannte Zahl von Demonstranten verletzt. Bei einem Aufmarsch der NPD am Donnerstag in Berlin-Charlottenburg gab es vereinzelte Zusammenstöße zwischen Neonazis und linken Gegendemonstranten. Am Nachmittag versammelten sich rund tausend Menschen zur „Revolutionären 1.-Mai-Demonstration“ im Stadtteil Kreuzberg. Dabei stellte sich die Polizei auf weitere Krawalle am Abend ein. Auch in Hamburg gab es in der Walpurgisnacht Krawalle. GB

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