Hängt sie höher!

„Aus unserem Umfeld hat das noch keine Band gemacht“, sagt „Die Sterne“-Schlagzeuger Christoph Leich mit leichter Skepsis und großer Vorfreude auf das Wochenende im Westwerk – wo die Band binnen dreier Konzerte ein Live-Album einspielt

von CHRISTOPH BRAUN

Eine Live-Platte also. Und ja, tatsächlich gibt es eine, die aufzulegen sich lohnt: Performance von Spacemen 3. Darauf singt Jason Pierce sein „Walkin‘ With Jesus“ so entrückt daneben, dermaßen erfasst von seinem eigenen Sound, dass sich ein Zeittunnel öffnet zum Club Melkweg, Amsterdam, am 6. Februar 1988 eröffnet. Aber: Gerade mal ein akzeptabler Song bleibt übrig aus sechs Jahrzehnten Rock-Live-LP-Geschichte – da könnte einem doch angst und bange werden angesichts des Sterne-Plans, während dreier Konzerte im Westwerk an diesem Wochenende ein Album aufnehmen zu wollen.

Auch Schlagzeuger Christoph Leich ist nicht ganz frei von Skepsis. Er zieht eine offizielle Live-Platte der UK Subs aus dem Regal seines Berliner Domizils und malträtiert mit diesem Vinyl die Nadel seines Plattenspielers. „Das ist das eine Modell-Live-Platte“, schmunzelt Leich. „Trashig und dünn der Sound, und die ganze Zeit singt der Sänger falsch. Dann gibt es da ja noch den amtlichen Stadion-Mitschnitt, Modell Westernhagen: Millionen singen mit.“

Doch auch Leich kennt wenigstens eine vage Hoffnung für das Sterne-Unterfangen: If You Want Blood von AC/DC, mitgeschnitten auf deren Tour 1979. Später fällt ihm noch Live Killers von Queen ein. „Wir finden einige unserer Stücke live halt besser als auf Platte. Und in unserem Umfeld hat das ja noch keine Band gemacht. Also hielten wir es für eine gute Idee, das mal zu versuchen“, erläutert Leich die Motivation für Hängt sie höher, so der Arbeitstitel der Platte.

Neben den Konzerten werden unter diesem Motto auch diverse befreundete DJs das Wochenende gestalten: am Sonnabend Carsten Friedrichs von Superpunk und Jan Müller von Tocotronic; am Sonntagabend erledigen den Job Buback-Betreiber Ale Sexfeind sowie Pascal Fuhlbrügge, Leichs Basskollege aus Kolossale Jugend-Tagen. Heute ist er unter dem Alias Novack und als Sand 11-Hälfte aktiv. Am Sonntagnachmittag nach dem Formel-1-Rennen, also gegen 16 Uhr, laden Die Sterne dann ihre Liebsten zu einem zusätzlichen Konzert, auch da aber ist eine Kasse für Nicht-V.I.P.s geöffnet.

Gespielt werden frühe Titel, außerdem die größten Hits, das heißt bis auf „Big in Berlin“ alle Singles, von „Fickt das System“ über „Universal Tellerwäscher“ bis zu „Nur Flug“. Dem Motto „Rückschau“ entspricht schließlich auch die Unterstützung auf der Bühne: Ømmes vom Reggae Soundsystem Love Tank spielt Perkussion, auch ein Chor wird singen. Die Stimmen kommen von Nixe, von Parole Trixi-Sängerin Sandra Grether, von Kajak-Sänger Matthias Reet und eventuell auch von der Sängerin der Berliner Band Britta, Christiane Rösinger.

„Für das Westwerk gab es einige Gründe, dieses Wochenende zu veranstalten“, erzählt Leich. „Zunächst hatten wir einen ganz frühen Auftritt dort, das muss ‘92, ‘93 gewesen sein. Außerdem haben es Toningenieur Bibo und unser Produzent Olaf Opal dort ziemlich einfach. Denn im Keller des Westwerk steht das Electric Avenue-Studio von Tobias Levin. Die Kabel müssen also nur die Treppe runter.“

Leich ist die Vorfreude auf das Wochenende anzumerken. Die Sterne können derzeit nach einer Mini-Schwächelei zu Wo ist hier-Zeiten superzufrieden sein mit ihren Songs, auch wenn sich Irres Licht nicht so gut verkauft hat wie erwartet. Man trinkt wieder was zusammen nach der Probe, man hat Weiteres vor. Die Veröffentlichung des Live-Albums soll übrigens im Juli auf einer Barkasse im Hafen gefeiert werden. Und für den Herbst planen Die Sterne Studioaufnahmen zu einem neuen Album, dessen Thema politische Agitation sein soll. Singt mit, Millionen.

mit DJs Carsten Friedrichs, Jan Müller, Pascal Fuhlbrügge, Ale Sexfeind: Sonnabend, 21 Uhr, Sonntag, 16 und 21 Uhr, Westwerk