Radioaktive Gefahr vernachlässigt

Die IAEA fordert von den USA Zugang für ihre Experten zu den Atomanlagen im Irak

BERLIN taz ■ Die irakischen Atomanlagen werden von den US-Truppen offenbar unzureichend bewacht. Wie eine Sprecherin der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) gestern der taz auf Anfrage bestätigte, hat IAEA-Generaldirektor Mohammed al-Baradei bereits vergangenen Mittwoch die USA aufgefordert, ein Team internationaler Experten zur Überprüfung der sensiblen Anlagen ins Land zu lassen. Alarmiert wurde die Behörde durch Medienberichte. So habe der Sender al-Dschasira bereits am 26. April von Plünderungen an Atomanlagen berichtet.

Nach Angaben der IAEA-Sprecherin Melissa Flemming ist die Behörde vor allem wegen der möglichen Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung und der Kontaminierung der Umwelt besorgt. Auch die Sorge um die Proliferation von Atomwaffen spiele eine Rolle. Allerdings verfüge der Irak nicht über waffenfähiges Material. Nach Berechnung der IAEA, basierend auf Inspektionen vor dem Krieg, waren 1,8 Tonnen Uran mit einem Anreicherungsgrad von 2,6 Prozent in dem Forschungszentrum Tuwaitha südlich von Bagdad gelagert. Als waffenfähig gilt Uran in der Regel ab einem Anreicherungsgrad von 80 Prozent. Darüber hinaus verfügt der Irak nach Angaben der IAEA über einige Tonnen abgereicherten Urans sowie ähnlich große Mengen Natururans. Im ganzen Land gebe es zudem etwa 1.000 künstliche radioaktive Strahlenquellen.

Nach US-Medienberichten vom Wochenende sind die US-Streitkräfte zwar mit so genannte „Sensitive Site Exploitation Planning Teams“ an der nuklearen Forschungsanlage Tuwaitah präsent. Das Pentagon oder das zuständige Central Command könnten aber keine Angaben darüber machen, ob dort gelagerte Materialien entwendet wurden.

Die geringe Aufmerksamkeit für die irakischen Atomanlagen ist umso erstaunlicher, als die angebliche Furcht vor der Entwicklung einer Atombombe vor dem Krieg als ein Hauptgrund für den amerikanisch-britischen Angriff auf das Land angeführt wurde. Einige der nun möglicherweise entwendeten Materialien, wie Cäsium oder Kobalt, sind zwar nicht zum Bau einer Atombombe geeignet. Sie könnten jedoch zum Bau so genannter schmutziger Bomben genutzt werden, bei denen radioaktives Material durch eine konventionelle Explosion verstreut und so das betroffene Gebiet radioaktiv kontaminiert wird.

ERIC CHAUVISTRÉ