Zwischen Dracula und Pizza Hut

Die an der Schwarzmeerküste stationierten US-Soldaten können sich durchaus vorstellen, dort zu bleiben. Die Rumänen jedoch sind geteilter Ansicht

Frauen, die am Straßenrand Hackfleisch verkaufen, sagen, die Soldatenwürden kein Geld ausgeben

aus Konstanza KENO VERSECK

Europafahnen säumen die Hauptstraße des Ortes. Auch im Bürgermeisteramt gibt es Europa en gros. Große Europafahnen auf Sockeln, Europa-Tischfähnchen, Europa-Plastikschildchen. Könnte das zu Missverständnissen mit den Amerikanern führen?

Der Bürgermeister Dinu Traian, 53, denkt angestrengt nach, räuspert sich lang gezogen. Dann lächelt er plötzlich breit. „Wir sind vollkommen einverstanden mit der amerikanischen Truppenpräsenz. Dadurch, dass die Soldaten hier stationiert sind, werden wir größere Sicherheit haben. Automatisch werden sich auch neue Wege für mehr Prosperität im Ort eröffnen.“

Mihai Kogalniceanu, 14.000 Einwohner, ein paar Kilometer von der Schwarzmeerhafenstadt Konstanza entfernt. Bis vor kurzem war es ein ruhiger Ort – trotz des Zivil- und Militärflughafens. Nur ein paar Mal in der Woche landeten Urlauberflugzeuge. Auch die rumänischen Militärpiloten flogen wenig, weil es zu viele technische Probleme mit den veralteten russischen Kampfflugzeugen vom Typ MiG gab.

Seit Ende Februar jedoch dröhnen in Kogalniceanu fast ständig die Flugzeugmotoren von C-130- und anderen Transportflugzeugen. Der Ort ist eine Basis für US-amerikanische Truppen- und Materialtransporte in den Irak. Bis zu mehreren tausend US-Soldaten machen hier zeitweise Station. Die Basis ist streng gesichert. Rumänische und amerikanische Militärpolizisten patrouillieren rund um die Uhr.

Besichtigen können Journalisten die Basis nicht. Doch die US-Armee hat ein kleines Pressezentrum in dem Schwarzmeer-Badeort Mamaia eingerichtet, im Stalinbarock-Hotel Iaki. Da hängt in Zimmer 120 ein großes Plakat mit einer rumänischen und einer amerikanischen Fahne. In der Ecke neben dem Sofa liegen verstreut CDs, Country-Musik und orthodoxe Kirchengesänge.

Manchmal sind Gespräche mit ausgewählten US-Soldaten möglich. Wenn sie erzählen, klingt es ganz im Sinne der neuen rumänisch-amerikanischen Freundschaft. Patrick Wallace, ein kahl geschorener 31-jähriger Munitionsoffizier, der bis vor kurzem im deutschen Ramstein stationiert war, hat noch nicht viel von Rumänien gesehen, aber er schwärmt von seinen Bewohnern. „O yeah, great, ich fühle mich sehr gut in Rumänien. Vor einigen Tagen habe ich mit einem unserer Lieferanten gesprochen, er erzählte mir, als er ein kleines Kind war, fünf Jahre alt, hat ihm sein Großvater gesagt, dass die Amerikaner kommen werden und dass man sie mit offenen Armen willkommen heißen sollte. Boy, yeah, ich fühle mich sehr willkommen hier.“

Auch die 21-jährige Linney Walker, eine zierliche, blonde Frau aus Pitsburgh, die im Kommandozentrum der Luftwaffenbasis arbeitet, möchte länger in Rumänien bleiben. Ihr Wunsch: „Oh, ich würde gern nach Transsilvanien fahren, das ist eine Sache, die ich sehen will.“ Sie lacht verschämt. „Um etwas über Dracula zu erfahren.“ Nur eine Kollegin, die neben ihr steht, beklagt sich: „I want a Pizza Hut!“

Der Bürgermeister sagt,die Soldaten würdendem Dorf Sicherheitund Prosperität bringen

Inoffiziell haben die USA bereits angedeutet, dass sie an einer permanenten Truppenpräsenz in Rumänien interessiert sind. Der Sprecher der US-Luftwaffenbasis, Chris Watt, 31, will sich nicht dazu äußern, ob die amerikanische Präsenz in Rumänien eine längerfristige sein wird und ob beispielsweise deutsche US-Stützpunkte zugunsten eines rumänischen verkleinert oder aufgelöst werden. Doch seine Worte klingen, als ob die US-Soldaten sich auf mehr als nur auf ein paar Wochen einrichten: „Ich würde sehr gern hier stationiert sein, sehr gern, falls es irgendwann eine permanente Basis werden sollte. Ich kann nichts über politische Entscheidungen sagen, aber auf der persönlichen und freundschaftlichen Ebene habe ich den Eindruck, dass die Leute ganz sicher wollen, dass wir hier bleiben.“

Manche Leute in Kogalniceanu sind sich nicht so sicher. Zwei ältere Frauen, die am Straßenrand Hackfleisch braten und verkaufen, beschweren sich über den dauernden Fluglärm, darüber, dass die US-Soldaten überhaupt noch kein Geld im Ort gelassen haben und bisher nur die Preise für Lebensmittel und Grundstücke gestiegen seien.

Ein paar Schritte weiter, in einer namenlosen Bar, in der der Flugzeuglärm die orientalisch-balkanische Schlagerfolklore nur knapp übertönt, debattieren die Leute schreiend das Für und Wider der US-Präsenz. „Wenn nun Terroristen kommen …“, ruft ein Mann und fuchtelt mit seiner Bierflasche. Er ist gegen den Krieg und gegen den Lärm. „Die Amerikaner bringen uns Investitionen und Arbeitsplätze“, brüllt ein anderer. Die Kellnerin will, dass die amerikanischen Soldaten wieder abziehen: „Sie sollen bei sich zu Hause bleiben. Sie sind überflüssig hier. Es stört mich, dass sie hier sind.“ Warum? Sie zuckt mit den Schultern.

Draußen versuchen zwei Männer ein Transparent über die Straße zu spannen, darauf steht: „Jesus. Ein Film, der die Welt verändert“. Es fällt immer wieder herunter. Im Straßengraben liegt das Wrack eines Lastkraftwagens. An einer Tafel vor dem Bürgermeisteramt hängt ein Zettel mit Ratschlägen für die Geburt von Kälbern. Der Problembriefkasten des Bürgermeisters ist leer. Wird es denn bald auch US-Fahnen im Ort geben? Der Bürgermeister verspricht: „Ich denke, wir werden sicher auch amerikanische Fahnen aushängen. Wir wollen ja mit den Ideen der rumänischen Regierung Schritt halten.“