Powell will Vertrauen schaffen

An diesem Wochenende will US-Außenminister Colin Powell erstmals seit langer Zeit wieder persönlich zwischen Israel und den Palästinensern vermitteln. Der neue palästinensische Premier Abu Masen hat bislang wenig Unterstützung erfahren

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Nach über einem Jahr diplomatischen Schweigens startet US-Außenminister Colin Powell heute Abend einen erneuten Vermittlungsversuch zwischen Israel und den Palästinensern. Im Zentrum der für morgen vereinbarten Gespräche mit Israels Premierminister Ariel Scharon und dessen palästinensischem Amtskollegen Abu Masen stehen zunächst konkrete Maßnahmen beider Seiten zur Vertrauensbildung. Die von den USA, der EU, der UNO und Russland erarbeiteten Friedensinitiative „Roadmap“ und israelische Änderungswünsche dazu sind, Berichten zufolge, vorerst kein Thema. Die Palästinenser lehnen es ab, den Friedensplan zu diskutieren, und fordern eine schnelle Umsetzung. Gestern Abend wollte US-Präsident Bush den Friedensplan offiziell vorstellen.

Die israelische Regierung hatte schon im Vorfeld der Vereidigung Abu Masens „Gesten“ zur Erleichterung der Lebensbedingungen angekündigt, um dem neuen Chef der Autonomiebehörde den Weg zu ebnen. Das Gegenteil ist der Fall. Seit drei Wochen sind die Übergänge für Arbeitnehmer aus Gaza geschlossen. Am Donnerstagvormittag bombardierten Militärhubschrauber das Fahrzeug eines Hamas-Aktivisten in einem nördlich der Stadt Gaza gelegenen Flüchtlingslager. Umgekehrt beschossen Palästinenser gestern eine israelische Stadt mit Mörsergranaten und verletzten zwei Menschen leicht.

Die Exekution des 30-jährigen Hamas-Kämpfers Ijad Beik, den Israel für mehrere Übergriffe auf Soldaten und Siedler verantwortlich macht, erzürnte vor allem die örtlichen Sicherheitskräfte, die sich außerstande sehen, ihre Mission zu erfüllen, solange Israel Raketen abschießt. Die letzte Exekution liegt erst eine Woche zurück. Zudem verhafteten israelische Militärs im Gaza-Streifen den stellvertretenden Nachrichtenchef Suleiman Abu-Mutallak, der sich gerade auf dem Weg zum neuen Minister für innere Sicherheit befand.

Die jüngsten Militärmaßnahmen werfen Fragen auf hinsichtlich der Bereitschaft Scharons, der „Roadmap“ eine Chance zu geben. Der Dreistufenplan sieht zunächst die Errichtung eines Palästinenserstaates in temporären Grenzen und einen Friedensvertrag bis zum Jahr 2005 vor. Zwar nannte Scharon seinen neuen palästinensischen Amtskollegen einen „Partner“ für den Frieden, doch selbst wenn die von palästinensischer Seite geforderten Reiseerleichterungen und die Einstellung der Exekutionen derzeit aus Sicherheitsgründen von ihm abgelehnt werden, wären andere Maßnahmen denkbar, so die Auflösung der illegalen „Siedlungsvorposten“.

Möglich ist, dass Scharon vorläufig nicht die rechten Koalitionspartner vergraulen will. Im Likud selbst lehnt die Mehrheit der Abgeordneten die Auflösung von Siedlungen ab. Möglich ist auch, dass er sich Schritte dieser Art und die Demonstration seines guten Willens für den Vorabend seiner Reise nach Washington aufhebt, die für den 20. Mai geplant ist. Spätestens dann steht auch eine eventuelle Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen mit Syrien auf der Agenda. Scharon signalisierte in einem Interview mit dem israelischen Fernsehen Bereitschaft zu „Verhandlungen ohne Vorbedingungen“, will aber noch „einige Wochen warten, um den amerikanischen Druck auf Damaskus“ wirken zu lassen.

Abu Masen läuft unterdessen die Zeit weg. Der von den „USA favorisierte und deshalb von den Palästinensern abzulehnende“ neue Premier, so der Tenor im Gaza-Streifen, steht unter Erfolgsdruck. Schon die erste Phase der „Roadmap“ sieht eine Beendigung der Gewalt durch „erkennbare Anstrengungen“, wie Verhaftungen, vor. Die Hamas signalisierte zwar „Bereitschaft zum Dialog“ mit Abu Masen, einen „von Amerika diktierten Waffenstillstand“ oder gar eine Entwaffnung lehnt sie indes ab.

Dazu kommt, dass Abu Masen die Rückendeckung des deutlich populäreren Palästinenserpräsidenten fehlt. Die auflagenstärkste Zeitung Jediot Achronot zitierte Jassir Arafat mit einem polemischen Appell an den Zentralrat der Fatah: „Warum stört ihr Abu Masen dabei, eine amerikanische Regierung aufzubauen?“