TV in Lettland

1991, nach der Unabhängigkeit des mittleren der drei baltischen Staaten, herrschte auch im Medienbereich Lettlands Aufbruchstimmung, die teilweise zu chaotischen und unübersichtlichen Zuständen führte.

Inta Brikse, Dekanin an der lettischen Universität und Medienexpertin: „Anfangs gab es im Journalismus den Trend, die Propagandamethoden der Sowjetzeit zu kopieren, um entgegengesetzte Ziele zu erreichen. Aber auch die Medienkonsumenten waren naiv im Umgang mit dem Produkt Information. Jene Informationen, die vormals der sowjetischen Zensur wegen nicht zugänglich waren, wurden automatisch als wahr eingestuft.“

Andrejs Ekis, Chef des größten privaten TV-Senders LNT, erinnert sich an einen anderen Aspekt. „Am Anfang gab es für Medienmacher schier unbegrenzte Möglichkeiten. Man konnte schnell und einfach reich werden.“

Mittlerweile haben sich die Verhältnisse sowohl bei den Print- als auch bei den audiovisuellen Medien etwas geordnet. Auf der Basis entsprechender Mediengesetze von 1992 und 1995, die 1998 noch einmal ergänzt wurden, gibt es derzeit in Lettland mit LTV 1 und 7 (Latvijas televizija) zwei nationale staatliche Fernsehsender.

Beide Sender werden aus dem Staatshaushalt alimentiert, und zwar mit einer Summe, die achtzig Prozent ihres Jahresbudgets beträgt, der Rest kommt aus Werbeeinnahmen. Während LTV 1 vor allem auf nationale und internationale Nachrichten und Kulturthemen, aber auch Entertainment setzt, widmet sich LTV 7 darüber hinaus auch Sport, Religion und gesellschaftspolitischen Themen. Zwanzig Prozent seines Programms sendet LTV 7 in einer Minderheitensprache, meistens Russisch.

Neben LTV 1 und 7 gibt es zwei nationale sowie neun lokale private TV-Sender. Der erfolgreichste ist derzeit LNT (Latvijas Neatkariga televizija) mit rund sechzig Prozent Marktanteil an den Werbeeinnahmen. An LNT, der täglich sechzehn Stunden sendet, halten örtliche Eigner vierzig Prozent der Anteile, die polnische Gesellschaft Pol-Sat sechzig Prozent.

Neben einem Drittel Sendungen aus eigener Produktion (wie Nachrichtensendungen) flimmern bei LNT vor allem Spielfilme, Reality-TV-Shows, Soaps und ausländische Serien über den Bildschirm, auch deutsche Produktionen wie etwa „Kommissar Rex“ und „Unser Charly“.

Einer der erfolgreichsten lokalen privaten Sender ist TV 5, gegründet vor anderthalb Jahren und in Riga und Umgebung zu empfangen. Allein dreißig Prozent seines Programms entfallen auf Reality-TV-Formate.

Für Verstimmung unter den Fernsehmachern sorgt eine Bestimmung des lettischen Mediengesetzes, wonach maximal ein Viertel des Programms in einer anderen Sprache als Lettisch gesendet werden darf.

Der russische Sender ORT, der in Lettland als Erster Baltischer Kanal (Pervyj Baltiski Kanal) empfangen werden kann, fand jedoch Mittel und Wege, diese Restriktion zu umgehen und trotzdem kräftig im örtlichen Werbemarkt mitzumischen.

Seit Anfang März ist zu dieser Bestimmung eine Klage beim Verfassungsgericht anhängig. BARBARA OERTEL