George W. Bush, der Obergrüne

Außenamtsmitarbeiter Schmierer findet, dass der US-Präsident gut in die grüne Partei passen würde. Außerdem äußert er Verständnis für den Angriff auf den Irak

BERLIN taz ■ In der Chefetage des Auswärtigen Amts scheint es für den US-Angriff auf den Irak mehr Verständnis zu geben, als es die offizielle Linie der Bundesregierung vermuten lässt. Die Tendenz zu einer „extensiven Auslegung des Selbstverteidigungsrechts“ stamme auch daher, dass die Vereinten Nationen „in vielen Fragen nicht den Problemen gewachsen“ seien, findet Hans-Gerhart Schmierer, Mitarbeiter im Planungsstab des Außenministeriums. Schmierer, auch schlicht „Joscha“ genannt, sagte auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung weiter, die Berufung der USA auf ihr Recht zur Selbstverteidigung „sei nicht einfach aus der Luft gegriffen“.

Es sei bei dem Irakkonflikt um die Einhaltung der Waffenstillstandsbedingungen von 1991 gegangen. Das Problem sei gewesen, dass seit 1998 von Seiten der Vereinten Nationen nichts mehr getan worden sei, um diese umzusetzen. Erst als es nicht zu der von den USA angestrebten Resolution zur Kriegsermächtigung gekommen ist, so der enge und langjährige Vertraute von Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne), habe Washington „die Argumentation der Selbstverteidigung auf die Tagesordnung“ gesetzt.“

Diese Darstellung gleicht der offiziellen Position Washingtons. Nachdem die USA für eine Resolution keine Mehrheit im UN-Sicherheitsrat erhalten hatten, beriefen sie sich darauf, dass die nach dem irakischen Überfall auf Kuwait verabschiedete Resolution 678 weiter Anwendung finde.

In dieser Logik war der Irakkrieg nur eine Fortsetzung des Golfkriegs von 1991 – und stand folglich in Einklang mit internationalen rechtlichen Standards.

Schmierer forderte, die Vereinten Nationen müssten künftig alles einsetzen, was ihnen unter Kapitel VII der UN-Charta als Maßnahmen zu Verfügung stünde. Dies sei, so Schmierer, die beste Sicherung gegenüber Versuchen, in dem Dunstkreis „zwischen Berechtigung und Nichtberechtigung die Selbstverteidigung in Anspruch zu nehmen“.

Auch hier erinnerten Schmierers Ausführungen an die Vorwürfe aus der Bush-Administration, der UN-Sicherheitsrat habe versagt und so die USA zum eigenständigen Handeln gegen den Irak gezwungen. Zur Überraschung der Anwesenden bezeichnete Schmierer US-Präsident George W. Bush als jemanden, der in seinen Reden eine „konsequenteste Weltinnenpolitik“ vertrete. Der US-Präsident betrachte die Welt schließlich so, als würde es andere Staaten gar nicht mehr geben – „sondern nur die USA und die Menschenrechte, welche die USA rund um die Welt verwirklichen“. Bush sei deshalb ein „wirklicher Weltinnenpolitiker und insofern ein Obergrüner“.

Die Ausführungen des Fischer-Beraters standen im Kontrast zu Äußerungen von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) auf derselben Tagung, bei der es vorrangig um das Problem der Eindämmung kommerzialisierter und privatisierter Gewalt ging. Der Kanzler sagte: „Wir dürfen es nicht hinnehmen, dass der Krieg wieder als natürliche und gleichsam normale Fortsetzung der Politik mit anderen Mittel begriffen und dann auch entsprechend geführt wird.“ Schröder sagte dies allerdings, ohne dabei die USA und den Irakkrieg ausdrücklich zu erwähnen.

ERIC CHAUVISTRÉ