Rot-Grün: Frauen sollen für ihre Partner büßen

Beim Arbeitslosengeld II zählt das Partnereinkommen stärker mit – und bringt hunderttausende um ihre Ansprüche

BERLIN taz ■ Noch wird nicht offen darüber diskutiert, aber die Fachleute haben es schon durchgerechnet. „Die Bezieher von kleinen Einkommen und Frauen werden die Verlierer sein, wenn Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengelegt werden“, sagt Jochen Steffen von der Arbeitnehmerkammer in Bremen. Hunderttausende von Frauen könnten aus dem Leistungsbezug fallen. Der Grund: Das Einkommen der Lebenspartner soll künftig stärker angerechnet werden.

Die Rechnungen ergeben sich aus den Plänen zur Reform der Arbeitslosen- und Sozialhilfe, also dem künftigen Arbeitslosengeld II, die derzeit in einer rot-grünen Koalitionsarbeitsgruppe diskutiert werden. Die Diskussion dort basiert auf einem Arbeitsgruppen-Bericht der Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen. Darin werden verschiedene Modelle der Zusammenlegung durchgerechnet – und in allen Modellen werden die Partnereinkommen beim Arbeitslosengeld II sehr viel strenger angerechnet als bisher.

Die Folge: „Hunderttausende Ehepartnerinnen oder Ehepartner könnten künftig kein Arbeitslosengeld II mehr bekommen“, bestätigt man aus Kreisen der Koalitionsarbeitsgruppe. Bis zu 3,5 Milliarden Euro sollen durch die Reform der Arbeitslosenhilfe gespart werden.

Nach den Plänen soll das Arbeitslosengeld II künftig auf Höhe der Sozialhilfe liegen. Dabei gibt es für eine Übergangszeit von zwei Jahren noch Zuschüsse. Um die Bedürftigkeit zu ermitteln, sollen die Einkommen der Ehe- und Lebenspartner nach den strengen Regeln des Sozialhilfebezugs angerechnet werden. Dabei wird beispielsweise für ein Ehepaar ein Grundbedarf ermittelt. Nur wenn das um einen Freibetrag bereinigte Einkommen etwa des Ehemannes geringer als der Grundbedarf ist, hat die Ehepartnerin Anspruch auf Arbeitslosengeld II.

Eine schematische Rechnung: Der Grundbedarf für ein kinderloses Ehepaar liegt derzeit bei 926 Euro. Der Freibetrag für einen Erwerbstätigen beträgt 146 Euro. Bringt der Ehemann also ein Nettoeinkommen von mehr als 1.100 Euro nach Hause, liegt das Paar mit seinem Haushaltseinkommen über dem Grundbedarf. Die Frau bekommt damit kein Arbeitslosengeld II und entsprechend auch keine Jobförderung mehr. Nach den Modellen könnten so bis zu einem Drittel der rund 1,4 Millionen Empfänger von Arbeitslosenhilfe künftig kein Geld mehr erhalten und auch aus der Erwerbslosenstatistik herausfallen.

Schon Anfang dieses Jahres wurde für die Bezieher von Arbeitslosenhilfe die Anrechnung des Partnereinkommens verschärft. Dies soll mit der geplanten Reform für 2004 nun noch strikter werden.

Um zu verhindern, dass Ehefrauen abgehängt werden, müsse man daher bei der Anrechnung für langjährig erwerbstätige Frauen höhere Freibeträge festlegen, schlägt der sozialpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Markus Kurth, vor. In Kooperation mit der Koalitionsarbeitsgruppe soll im Bundeswirtschaftsministerium in den nächsten Monaten ein Referentenentwurf zur Reform erarbeitet werden. BARBARA DRIBBUSCH

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