Anschläge überschatten Gespräche

Selbstmordattentäter torpedieren die Bemühungen um eine Umsetzung des Nahost-Friedensfahrplans. Israels Ministerpräsident Scharon verschiebt seine USA-Reise. Das Treffen mit seinem Amtskollegen Abu Masen verläuft ergebnislos

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Die an die Wiederaufnahme der Verhandlungen geknüpften Hoffnungen auf eine friedliche Lösung im Nahen Osten haben am Wochenende einen schweren Rückschlag erfahren. Nur wenige Stunden nach dem Treffen zwischen dem israelischen Ministerpräsident Ariel Scharon und seinem palästinensischen Amtskollegen Abu Masen starben sieben Israelis bei einem Bombenattentat in Jerusalem. Bereits im Vorfeld des ergebnislos gebliebenen ersten Treffens zwischen den beiden Regierungschefs hatte ein Sprengstoffattentäter zwei jüdische Siedler in Hebron mit sich in den Tod gerissen.

Gegen 5.30 Uhr gestern früh bestieg ein als frommer Jude gekleideter 19-jähriger Hamas-Aktivist einen Linienbus im Norden Jerusalems und zündete nur wenige Sekunden später den Sprengstoff. Hamas-Sprecher Abdelasis Rantisi kündigte gegenüber der „Stimme Israels“ weitere Attentate an. Die palästinensische Führung verurteilte den Anschlag und appellierte an die Regierung in Jerusalem, von Vergeltungsmaßnahmen abzusehen.

Scharon berief am Abend das Kabinett zu einer Sondersitzung ein, um über weitere Schritte zu beraten. Seine für diese Woche geplante Reise nach Washington wurde bis auf weiteres verschoben. Bau- und Wohnungsminister Effi Eitam forderte den sofortigen Abbruch der Kontakte zur palästinensischen Führung sowie die zwanghafte Umsiedlung der Familien von Attentätern. Exoppositionsführer Amram Mitzna bedauerte den Entschluss Scharons, seine US-Reise zu verschieben und damit „den Extremisten in die Hände zu spielen“. Auch auf palästinensischer Seite wurde Bedauern laut. Parlamentspräsident Abu Ala hatte zuvor erklärt, dass „alles von dem Treffen Scharon–Bush“ abhänge.

Rund drei Stunden saßen Scharon und Abu Masen am Samstagabend zusammen. „Überflüssige“ drei Stunden, wie einer der palästinensischen Delegierten das Treffen kommentierte. So blieb die palästinensische Forderung an Israel, den internationalen Dreistufenplan zum Frieden, die „Roadmap“, ohne Abstriche zu akzeptieren, unbeantwortet. Die Israelis haben nach wie vor 14 Änderungswünsche, darunter die Verzichtserklärung auf das Rückkehrrecht palästinensischer Flüchtlinge. Die Palästinenser wiederum knüpfen eine Umsetzung der in der „Roadmap“ vorgesehenen Sicherheitsmaßnahmen an die vorherige Zustimmung Israels zum gesamten Plan. Auch Washington lehnt Abänderungen ab.

Wenngleich sich beide Seiten grundsätzlich über das Ziel einig waren, dem Terror ein Ende zu machen, so bestehen doch hinsichtlich der zu treffenden Maßnahmen deutliche Meinungsverschiedenheiten. Diese Aufgabe sei allein Angelegenheit der Palästinenser, meinte Informationsminister Nabil Amr. Zentrale Forderung Abu Masens war die Einstellung der Exekutionen mutmaßlicher Terroristen und der Militäroperationen im Gaza-Streifen. Beides Maßnahmen, die die Arbeit der Sicherheitskräfte vor Ort erschweren.

Im israelischen Verteidigungsministerium schwindet offenbar zunehmend die Hoffnung, Abu Masen könne die palästinensischen Gebiete kontrollieren. Wer tatsächlich das Sagen habe, sei nach wie vor Palästinenserchef Jassir Arafat. Um dessen Einfluss zu untergraben, planten demnach Abu Masen und sein Minister für Innere Sicherheit, Mohammad Dahlan, einen Personalwechsel, vor allem in den Führungspositionen der Sicherheitsorganisationen.

Gegenüber Scharon erbat sich Abu Masen eine Frist von drei Monaten zum Wiederaufbau des Sicherheitsapparats. Scharon signalisierte offenbar Bereitschaft zu einem Truppenrückzug aus dem autonomen Gaza-Streifen im Gegenzug für einen Waffenstillstand in dem Gebiet. Ferner kündigte er „eine Reihe von Maßnahmen zur Erleichterung der palästinensischen Lebensumstände“ an, ohne jedoch ins Detail zu gehen. Tatsächlich hatte die israelische Armee die Reisebehinderungen am Sonntag zusätzlich verschärft. Die beiden Regierungschefs wollen die Gespräche in Kürze fortsetzen.

Abu Masen schloss Saeb Erikat, der lange Jahre Delegationsleiter bei früheren Friedensverhandlungen war und der Arafat gegenüber als streng loyal gilt, von den Gesprächen am Samstagabend aus. Erikat reichte daraufhin seinen Rücktritt ein und wünschte der neuen Regierung von Abu Masen „viel Glück“.