nebensachen aus moskau
: Tradition der Ehrentitel, Tradition zum Anknüpfen

Der Tag des Helden

Helden stehen in Russland nach wie vor hoch im Kurs. Gleichwohl bilden sie keine Minderheit, Heroen gibt es en masse. Zahlreiche Katastrophen, ob vom Zar, der Kommunistischen Partei oder dem Staatsapparat verschuldet, sorgten für natürlichen Nachwuchs und die Auszeichnung ganzer Kollektive.

Wem dennoch das Zeug zum Helden fehlte oder die Geschichte nicht günstig gesinnt war, der versucht der Aura der Verehrung anderwärtig teilhaftig zu werden. Einer von ihnen könnte der Vorsitzende des Russischen Föderationsrates, Sergej Mironow, sein. Nach Präsident und Parlamentsvorsitzendem protokollarisch einer der wichtigsten Männer Russlands.

Aber eben kein Held. Noch nicht. Der alte Freund des Präsidenten und jetzige Chef der zweiten Kammer der Duma startete eine viel beachtete Initiative just vor dem höchsten russischen Feiertag: dem Sieg über Nazideutschland am 9. Mai, den junge und alte Frontkämpfer so ausgelassen feiern, als wäre Berlin erst gestern gefallen.

Das reicht offenkundig nicht. Mironow regte daher an, auch den 16. April den vaterländischen Helden zu weihen. Beim Verteidigungs- und Sicherheitsausschuss der Duma ging bereits ein entsprechender Antrag ein. Warum gerade der 16. April ? Der Vater der Völker, Generalissimus, Diktator und Menschenschlächter Josef Stalin hatte 1934 am 16. April den Ukas über die Verleihung eines Ordens des „Helden der Sowjetunion“ unterzeichnet.

Tradition zum Anknüpfen: Verteidiger der Heimat – und wer im Namen des Humanismus Heldentaten vollbracht hat, so Mironow vor dem „Klub der Helden der Sowjetunion, der Russischen Föderation und der Träger des Moskauer Ruhmesordens“, habe Anspruch auf Ehrerweisung und Gedenken.

Ob dies ein arbeitsfreier Tag sein wird, steht noch nicht fest. Anweisungen sind aber schon ergangen, entsprechende Veränderungen im Arbeitsgesetzbuch vorzunehmen. Auch die ehemaligen „Helden der Arbeit“, die Auf-und Abbau des Sozialismus betrieben haben, sollen nicht leer ausgehen. Mironow will sich für die Wiederaufnahme von Prämienzahlungen an die Arbeitshelden einsetzen.

Sollte ihm dies gelingen, dürften die Belastungen für den Staatshaushalt nicht unerheblich ausfallen. Denn Legionen von Werktätigen haben nolens volens heldenhaft geschuftet. Hätte der Vorsitzende freie Hand, würde er gar Arbeitshelden wieder auszeichnen. Allein, wie sollte der Titel heute lauten: „Held der kapitalistischen Arbeit“? Da würde die Duma dann wohl nicht mehr mitmachen.

Doch Mironow steht auch bei den Kollegen hoch im Kurs: 2 enthielten sich, 159 bestätigten ihn im Amt. Nur Helden erzielen solche Ergebnisse.

KLAUS-HELGE DONATH