Die Wirtschaftskrise lösen? Kein Problem

Oswald Metzger will endlich wieder mal bei „Christiansen“ eingeladen werden. Sein polemisches und schlichtes Buch wird ihm da sicher helfen

Eins muss man Oswald Metzger lassen: Der ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete ist ehrlich. Er hat sein Buch geschrieben, um Geld zu verdienen. Außerdem will er 2006 wieder in den Bundestag. Das klingt zunächst weltfremd, denn bei den Grünen dürfte niemand für ihn weichen wollen – zumal seine Exkollegen schon auf den ersten Seiten nachlesen können, dass die meisten von ihnen an „Selbstüberschätzung“ leiden.

Wie also soll die Rückkehr in den Bundestag funktionieren? Metzger ist so kumpelhaft, dies seinen Lesern bereits im Vorwort zu erläutern: „Sie wissen ja, mit einem Buch kann man sich als Vor- und Querdenker, als konzeptioneller und kluger Kopf verkaufen.“ Ist das geschafft, „kann man wieder durch alle Talkshows tingeln und dadurch den Weg für ein politisches Comeback bereiten“.

Das Buch zielt eigentlich auf nur eine einzige Leserin: Sabine Christiansen. In ihre Talkshow möchte Metzger unbedingt eingeladen werden, obwohl er die Sendung selbst nie sieht – ihn stört die „Phraseologie der Politikerkollegen“. Aber nachdem er einmal dort auftrat, weiß Metzger den Ertrag zu schätzen: 500 E-Mails, 300 Briefe und 200 Anrufe in nur zwei Wochen. So viel Medienmacht will er wieder besitzen. Denn er scheint sich eine Art Plebiszit vorzustellen: Wenn die Metzger-Fans in Deutschland exponentiell anwachsen würden, dann könnten die Grünen gar nicht umhin, ihn als Kandidaten aufzustellen. Das erinnert an einen anderen tragischen Fall, wo einer Medienmacht und parteiinterne Macht verwechselte: Oskar Lafontaine. Seine Bild-Kolumnen haben den ehemaligen SPD-Vorsitzenden erst recht ins politische Nirgendwo befördert.

Sollten Metzgers Karrierepläne scheitern, hat er sich die Erklärungen bereits zurechtgelegt: Die meisten anderen Politiker seien eben eitel und neidisch auf fremde Erfolge, nur stromlinienförmige Parteisoldaten würden gefördert, Fachkompetenz zähle nicht.

Es ist ein polemisches Buch. Mit Bedacht. Irgendwann lobt sich Metzger wieder einmal selbst, „man sagt mir Kommunikationstalent nach“. Das stimmt, denn sein bissiges Schwarzweißdenken war für die Medien schon immer gut verwertbar. Da gab es noch nie Ambivalenzen, die schwer vermittelbar wären. Diesen Trick reizt Metzger nun erneut aus.

Aber die Polemik ist nicht nur Kalkül, sie spiegelt auch Metzgers Denken, das Komplexitäten und Widersprüche letztlich nicht aushält. Es muss doch eine Wahrheit, eine Lösung für alle staatlichen Finanzprobleme existieren! Metzger denkt in Ausrufezeichen, dazu passt der Titel „Einspruch!“ Zwar ist Metzger so schlau, einzuräumen, „dass es keine schnell wirkenden Patentrezepte gibt“. Aber dann vergisst er das lieber und tituliert als „Gutmensch“, wer seinen Einsichten nicht sofort folgen will. Das ist schade. Diese Passage macht das Buch uninteressanter, als es sein könnte.

Nur ein Beispiel: Arbeitslosigkeit erklärt sich Metzger monokausal – Arbeit sei eben zu teuer. Also weg mit dem Kündigungsschutz, runter mit den Lohnnebenkosten, niedrigere Entgelte für Ältere, Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen, Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfe nur für Erwerbsunfähige. An anderen Stellen seines Buches rechnet jedoch auch Metzger mit einem konstanten Produktivitätsfortschritt – bei schwächelndem Wachstum. Diese Kombination kostet bekanntlich Arbeitsplätze und schafft keine neuen. Doch da ist Metzger längst beim Thema Renten, die diversen Einzelaspekte werden nie systematisch vernetzt.

Metzger wollte „ketzerisch“ sein, so sein Lieblingswort, und „die Mythen unseres Sozialstaats entlarven“. Mit diesem marktschreierischen Anspruch ist er nicht allein. Zum Beispiel präsentierte erst kürzlich Hans-Olaf Henkel seine „Ethik des Erfolgs. Spielregeln für die globalisierte Gesellschaft“. Die selbstgewissen Anpreisungen dort erinnern stark an Metzger: Auch der ehemalige IBM-Manager „hält den Finger in die Wunden der derzeitigen Wirtschaftskrise“, auch er setzt ausschließlich auf die Eigenverantwortung des Individuums.

Vermutlich werden bald weitere Exwürdenträger mit Büchern folgen, die sich „ketzerisch“ nennen und angeblich neue Enthüllungen über unsere Staatsmisere und die „reformunfähigen Politiker des Mittelmaßes“ feilbieten. Es wäre eine Erholung, wenn jemand tatsächlich so ketzerisch wäre, einfach mal echte Fragen zu wagen – obwohl er auf sie noch keine Antworten hat. Aber damit kommt man eben nicht zu „Christiansen“. ULRIKE HERRMANN

Oswald Metzger: „Einspruch! Wider den organisierten Staatsbankrott“, 256 Seiten, Riemann Verlag, München 2003, 19 €