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: Sicherheit, ein Militärbegriff

Sicher zu leben ist ein Grundbedürfnis, vor allem bei uns in Deutschland. Deshalb rückte Peter Struck bei der Vorstellung der neuen verteidigungspolitischen Richtlinien den Begriff der Sicherheit und der Sicherheitslage ins Zentrum. Aber der neue Sicherheitsbegriff, von dem er spricht, ist militärisch fixiert. Er lässt die entscheidenden Unsicherheitsfaktoren, ökonomische wie ökologische Katastrophen, beiseite. Und er kann zu einer maßlosen Überdehnung künftiger Verteidigungsaufgaben führen.

Kommentar von CHRISTIAN SEMLER

Deutschland ist nicht durch einen Angriff mit konventionellen Streitkräften bedroht. Diese Tatsache hatte die Bundeswehr nach der Auflösung des Sowjetblocks in eine Identitätskrise gestürzt, von der sie erst genas, als das Ausland als neues Betätigungsfeld entdeckt wurde. Erst war die Einbindung in die UNO selbstverständlich, doch das änderte sich mit den Luftangriffen auf Restjugoslawien 1999. Militärisch-operative Gesichtspunkte gewannen die Oberhand.

In den neuen Richtlinien wird nun postuliert, dass Verteidigung sich geografisch nicht eingrenzen lasse, sondern zur Wahrung unserer Sicherheit beitrage, „wo immer diese gefährdet ist“. Bekanntlich kennt die UNO-Satzung ein Recht auf Selbstverteidigung nur an, wenn man angegriffen wird oder ein Angriff unmittelbar bevorsteht. Jede andere Militäraktion bedarf eines Mandats des UNO-Sicherheitsrates, das eine Bedrohung des Weltfriedens voraussetzt.

Die Richtlinien sprechen von der künftigen Doppelaufgabe der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung. Auf den ersten Blick scheinen beide Aufgaben als gleich wichtig angesehen zu werden. In der Realität aber investiert die Bundesrepublik weder finanziell noch organisatorisch noch hinsichtlich der Ausbildung von Spezialisten nennenswert in die Präventionsaufgabe. Auch bei der Krisenbewältigung, wenn nur noch der Einsatz von Streitkräften hilft, muss das Schwergewicht auf den Nachkrieg gelegt werden, was eine gänzliche Umorientierung der Fähigkeiten wie auch des Bewusstseins der Interventionstruppen voraussetzt. Doch davon ist nicht die Rede.

Mit dem Anschlag vom 11. September 2001 ist eine neue internationale Bedrohung sichtbar geworden. Deswegen orientiert die Richtlinie nun die Streitkräfte um. Doch wer darin die Lösung des Problems sieht, wird dem permanenten Ruf nach den Waffen, den Bushs „War on terrorism“ enthält, viel zu wenig entgegensetzen können.