Lächeln fürs Gipfelfoto vor prächtigen Kulissen

Der EU-Russland-Gipfel findet morgen in St. Petersburg statt. Wichtige Entscheidungen dürfte er wohl kaum bringen

MOSKAU taz ■ Wladimir Putin hat es oft bewiesen: der Kremlchef schätzt Tradition, Symbolik und Nostalgie über alles. Anlässlich der 300-Jahrfeier Sankt Petersburgs reaktivierte er nun eine sozialistische Tugend aus den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Bei der Errichtung des Konstantinpalastes, der Renommierresidenz des Präsidenten in Strelna, ließ er die Stachanow-Bewegung auferstehen. Dahinter verbargen sich Arbeiter, die bereit waren, ein Vielfaches der Arbeitsnorm zu erfüllen. So zogen in nur anderthalb Jahren 6.000 Bauarbeiter das zerstörte Schloss wieder hoch, legten Wasserstraßen an und bauten dutzende Villen, in denen ein Teil der in Petersburg weilenden über 40 Staatschefs absteigen wird.

Im Rahmen des Stadtjubiläums findet am Sonnabend ein EU-Russland Gipfel statt. Neben fünfzehn Staatschefs aus der EU sind erstmals auch die zehn neuen Aufnahmekandidaten dabei, bei denen das russische Rekordbewusstsein noch ambivalente Gefühle wecken dürfte.

Bahnbrechende Entscheidungen stehen nicht auf der EU-Russland-Agenda. Moskau wird sich freuen, dass die EU den Tschetschenienkrieg nicht direkt kritisiert, sondern nur Hoffnungen auf eine friedliche Lösung und Einhaltung der Menschenrechte Ausdruck verleiht. Ansonsten will die EU Russland daran erinnern, das Kioto-Protokoll und den Energiecharta-Vertrag von der Duma ratifizieren zu lassen. So hat sich in den Beziehungen zwischen Brüssel und Moskau nur wenig bewegt.

Russlands Wunsch spätestens bis 2007 einen visumfreien Verkehr mit der EU einzuführen, könnte für Missstimmung sorgen. Der Widerstand in der EU ist erheblich: „Es gibt ein klare Übereinkuft zwischen den Mitgliedern, kein Zeitlimit zu setzen“, hieß es in Brüssel. Langfristig sei die Möglichkeit nicht auszuschließen, zuvor müsste Moskau Fortschritte machen. Dazu zählt die Kooperation der russischen Polizei mit europäischen Behörden, die trotz eines Vertrags mit der Europol nicht richtig funktioniere.

Dem EU-Russland-Gipfel folgt am Sonntag ein Spitzentreffen George W. Bushs und Wladimir Putins. Um die russisch-amerikanischen Beziehungen steht es seit dem Irakkrieg auch nicht zum Besten. Aber immerhin darf, so US-Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice, Moskau auf ein Versöhnungszeichen hoffen, was den anderen Kriegsgegnern, Paris und Berlin, versagt blieb.

Dass Bush zu den Feierlichkeiten anreist und in Russland übernachtet, passt zur vorgegebenen Linie. Auf dem Gipfel der G-8-Staaten, die sich am Sonntag in Frankreich treffen, wird Bush nicht über Nacht bleiben. Es ist nur eine Geste. Denn das Interesse der USA an Russland hat seit dem Irakkrieg nochmals nachgelassen. Im Unterschied zur Intervention in Afghanistan sind die Vereinigten Staaten auf die Kooperation mit Moskau im Irak nicht angewiesen.

Wie wenig Beachtung Washington Russland beimisst, zeigte sich bereits bei der Bildung der Antiterrorkoalition nach dem 11. September. Mit Rücksicht, Hilfe und Fürsprache wurde der Kreml nicht für sein Entgegenkommen belohnt. Neben Themen wie Massenvernichtungswaffen, Terrorbekämpfung, strategische Nuklearwaffenarsenale und regionale Konflikte werden Moskaus Atomprojekte im Iran die Gespräche beherrschen. Seit Jahren monieren die Amerikaner, dass Teheran das aus Russland gelieferte atomare Know-how zum Bau von Nuklearwaffen nutzt. Washington verlangt von den Russen, die Kooperation einzustellen. Gestern sandte Rice erneut eine Warnung an Moskau. Das russische Außenministerium winkte ab. Der Internationalen Atombehörde lägen keine Erkenntnisse über eine militärische Ausrichtung des Atomprogramms vor.

KLAUS-HELGE DONATH