Medienkrieg à la Rumsfeld

Indonesiens Militär kopiert beim Krieg in Aceh die im Irak angewandte US-Medienstrategie des „Embedding“ von Reportern in Truppen. Für Indonesien ein Fortschritt, doch Bedenken bleiben

von SVEN HANSEN

„Indonesiens Streitkräfte haben während des Irakkriegs zu viel Fernsehen geschaut“, sagt der Chefredakteur von Jakartas Abendzeitung Suara Pembaruan, Bondan Winarno. Und deshalb werde die unter US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld für den Irakkrieg entwickelte Medienstrategie jetzt von Indonesiens Armee bei ihrer Offensive in der abtrünnigen Provinz Aceh kopiert. Im Irak waren über 600 Reporter bei den US-Truppen „eingebettet“, jetzt sind es 54 Journalisten, die Jakartas Armee im Kampf gegen die „Bewegung Freies Aceh“ (GAM) begleiten.

Das „Einbetten“ bei kämpfenden Truppen und damit eine Berichterstattung aus deren Perspektive habe in den USA den Patriotismus bestärkt, meint Endy Bayuni, stellvertretender Chefredakteur der Jakarta Post. Dies wolle Indonesiens Militär jetzt auch erreichen. Doch während das Pentagon auch ausländische Reporter bei seinen Truppen einquartierte, nimmt Indonesiens Militär nur einheimische. Denn die sind zum einen leichter zu kontrollieren, zum anderen soll dies eine Internationalisierung des Konflikts verhindern, den Jakarta weiterhin als interne Angelegenheit bezeichnet.

Die Reporter wurden vom Militär in einem viertägigen Sicherheitstraining in Westjava auf ihren Einsatz mit den Soldaten in der Provinz Aceh vorbereitet. Die rohstoffreiche Region im Norden Sumatras hat 4,5 Millionen Einwohner und ist so groß wie Bayern. Seit 1976 hat der separatistische Konflikt dort rund 12.000 Tote gefordert.

Suara Pembaruan und die Jakarta Post haben jeweils zwei Reporter bei den Truppen „eingebettet“ und tauschen diese nach einiger Zeit aus, was im Irakkrieg nicht möglich war. Laut Bayuni müssten die Reporter der Jakarta Post Uniformen der Armee tragen, worauf diese trotz eines Protestes des Journalistenverbandes AJI bestanden habe. Doch Winarno sagt, dass seine Reporter die Uniformen erfolgreich verweigert hätten, weil sie sonst für Soldaten gehalten werden könnten. Suara Pembaruan hat darüber hinaus zwei weitere Reporter und die Jakarta Post einen in Aceh, die nicht bei den Truppen sind und so unabhängiger über die Zivilbevölkerung und die GAM berichten können.

Aus Aceh berichten auch ausländische Korrespondenten, die sonst in Jakarta sind. „Es war kein Problem, nach Aceh zu kommen und mich hier beim Militär zu akkreditieren“, sagt ein Korrespondent, der anynom bleiben will. „Doch wir werden sorgfältig beobachtet, und es sieht so aus, dass uns bald gesagt wird, hier sei es für uns zu gefährlich, und wir deshalb die Provinz wohl bald verlassen müssen.“ Da es in diesem Guerillakrieg keine militärische Frontlinie gebe, würden die nicht einbetteten Korresponden von Orten berichten, wo es zuvor Kämpfe gab, und dann mit Augenzeugen sprechen. Das Kriegsrecht in Aceh erlaubt dem Militär, Berichte zu zensieren und Reporter auszuweisen.

„Der Vorteil der Einbettung ist, dass Journalisten aus größerer Nähe berichten können“, meint Chefredakteur Winarno. „Der Nachteil ist, dass sie sich verpflichtet fühlen könnten, die Armee in ihren Berichten zu bevorteilen.“ Die Reporter sähen nur die Seite der Truppen, meint Bayuni. Dieses Problem trat schon im Irakkrieg auf und entspricht genau der Strategie des Pentagons und des indonesischen Militärs.

Die von der taz befragten Journalisten bewerten das „Embedding“ bei Indonesiens Armee dennoch als Fortschritt. Denn während der Zeit des Diktators Suharto war es kaum möglich, über die Konflikte in Osttimor, Aceh und Westpapua von vor Ort zu berichten. „Die Regierung ist bemüht, bei dieser Offensive medial gut rüberzukommen“, sagt der ausländische Korrespondent. „Man hat aus früheren Konflikten gelernt, wie Medien arbeiten, aber es gibt immer noch viele, die das nicht verstehen.“

Nach Suhartos Sturz vor fünf Jahren konnten Indonesiens Medien die frühere Gängelung abschütteln. Einst verbotene Medien wie zum Beispiel das Nachrichtenmagazin Tempo erscheinen wieder. Doch versuchen Militärs und konservative Politiker immer wieder, Medien einzuschüchtern. So kündigte der Militärsprecher General Sjafrie Sjamsoeddin am Mittwoch in Jakarta an, die Tageszeitung Koran Tempo zu verklagen, weil diese über die Erschießung von zehn Zivilisten in Aceh durch das Militär berichtet habe. Laut Sjamsoeddin seien dies keine Zivilisten gewesen, sondern Informanten der GAM, die nicht auf Warnschüsse reagiert hätten.

Kommunikationsminister Sayamsul Mu’arif forderte die Medien auf, stärker das gesamte Vorgehen der Regierung in Aceh einschließlich der humanitären Hilfe für die Region zu berücksichtigen. Denn nach Meinung mehrerer Generäle ist die mediale Grundregel von der Recherche auf beiden Seiten außer Kraft gesetzt. Armeechef Endriartono Sutarto: „Zitieren sie nicht GAMs Agitation. Sie könnte die Menschen verwirren, was die Wahrheit ist.“