Herausbeschwören

Das griechische exorkizein bedeutet „etwas herausbeschwören“. Ziel des Exorzismus ist es, einer Person, die von Dämonen besessen sein soll, diese Teufel auszutreiben. Als Anzeichen für Besessenheit gelten: Aggressivität, Halluzinationen, Verhaltensstörungen, Krämpfe und Aversionen gegen sakrale Gegenstände.

In seiner kürzesten christlichen Form lautet die Formel des Exorzismus: „Ich gebiete dir, unreiner Geist, als Diener der Kirche in der Kraft des gekreuzigten und auferstandenen Herrn Jesus Christus, weiche!“ Der auch heute in der katholischen Kirche geltende Exorzismus geht auf das „Rituale Romanum“ aus dem Jahr 1614 von Papst Paul V. zurück.

Darin wird die Folge von Gebeten, Bibelversen und Beschwörungen sowie das Erkennen und Verhören der Dämonen geregelt. Der Exorzist soll den Dämonen das Dasein in der besessenen Person derart vergällen, dass sie aufgeben und „ausfahren“. Zulässige Hilfsmittel: Kruzifix, Rosenkranz, Weihwasser und andere geweihte Gegenstände.

Der Exorzist soll experimentieren, was dem Dämon besonders zuwider ist. Körperliche Gewalt ist nicht erlaubt, kommt aber besonders bei Laienexorzismen vor. 1999 aktualisierte der Vatikan in „De Exorcismis“ die bisherigen Regeln zur Teufelsaustreibung. Demnach müssen vor der bischöflich genehmigten Dämonenjagd alle Möglichkeiten medizinischer Heilung ausgeschöpft sein.

Christliche Exorzisten und ihre Befürworter berufen sich auf ein Jesuszitat in der Bibel: „Treibt böse Geister aus“ (Matthäus 10,8; Markus 16,17). Kritische Christen sehen darin keinen Freibrief für die Geisterjagd, sondern die Mahnung, die Menschheit von jeglicher Unterdrückung (etwa durch Aberglauben und Intoleranz) zu befreien.

Nachdem der „Fall Klingenberg“ weltweit Aufsehen erregte, forderten Theologen den Vatikan vergeblich auf, dem „Teufelsglauben“ abzuschwören. 1982 führte Papst Johannes Paul II. persönlich einen Exorzismus durch. 1983 beschloss die anglikanische Staatskirche, dass ihren 43 Diözesen je ein Exorzist zugeordnet wird. 1992 richtete die Italienische Bischofskonferenz eine Kommission zur Ausbildung von Exorzisten ein. Im April 2002 trat der Mainzer Weihbischof Eisenbach zurück. Eine Professorin hatte ihn wegen Körperverletzung im Zuge eines Exorzismus angeklagt.

Bis heute sind hunderte Exorzisten im Auftrag der katholischen Kirche unterwegs. Vom „Wirken Satans und dämonischer Mächte“ ist der Vatikan weiterhin überzeugt. Auch in islamischen Ländern gibt es Teufelsaustreibungen, die Exorzisten berufen sich auf den Koran und verweisen auf die darin beschriebenen „Dschinns“.

Jährlich finden weltweit tausende sowohl von Religionsgemeinschaften genehmigte als auch „wilde Exorzismen“ statt. Oft sind neurologisch oder psychisch kranke Kinder Opfer solcher Riten. Noch heutzutage werden Menschen mit Spasmen, Epilepsien, Tourette-Syndrom, Psychosen, aber auch Blinde und Taube dämonisiert, misshandelt oder getötet.

Literatur: Felicitas Goodman, „Anneliese Michel und ihre Dämonen. Der Fall Klingenberg in wissenschaftlicher Sicht“ , Stein am Rhein 1993, Christiana Verlag, 352 Seiten, 14,90 Euro.

ANDRÉ PARIS