Eine schöne Party. Amen

aus Berlin JAN FEDDERSEN

Es war vielleicht das beste Zeugnis, das man einander ausstellen kann: dass das wiederkommen möge, sehr bald bitte, am liebsten nächstes Jahr. Wie eine Party, die man sich vorher schön ausmalte – und die dann noch viel besser wurde.

Ja, dieser Ökumenische Kirchentag hat allen gefallen. Sogar jenen, die in Berlin nur leben und denen das ganze Christengetue nicht auf die Nerven ging, dieses Halleluja und Amen, diese Menschenrudel, deren Sprache noch unverfälscht schwäbisch oder fränkisch oder westfälisch klang. Sagte die Nonne Agnes aus München: „Ach, der macht mich jauchzen, dieser Kirchentag.“

Dabei ist nicht zu loben, dass der Dreißigjährige Krieg lange her ist und Katholiken und Protestanten seither gelernt haben, sich wegen theologischer Fragen nicht mehr umzubringen. Aber was soll man sagen gegen einen Boulevard namens Unter den Linden, der vier Nächte lang bis ins Morgengrauen hinein zur Sunshinezone wurde? Wo Menschen einander ins Ohr flüsterten: „Wart hier auf mich, wir dürfen uns nicht aus den Augen verlieren.“ Ehe sie zwei Bierplastikbecher an den Stand zurückbrachten, um das Pfand wiederzuholen.

Was muss gegen einen aufgeblasenen Heiligenschein vor dem Brandenburger Tor vorgebracht werden – außer dass man dieses dekorative Teil schon deshalb ab sofort vermissen wird, weil es die nationale Symbolik jenes Bauwerks um einen, nun ja, popkulturellen Akzent erweiterte?

Fünf Tage lang war dies der Treffpunkt aller, die sich verloren glaubten: „Schön, dass ich dich hier gefunden habe.“ Sagte ein Mädchen zu einem Jungen. Hatten sich bei der Bibelstunde sehen gelernt die beiden. Und dann im Trubel auf der Agora verloren.

Fünf Tage sah man morgens Menschen mit gelben Halstüchern in die U- und S-Bahnen quellen. Kirchentag ist, wenn Menschen sich ständig fragen, ob man gerade die richtige U-Bahn genommen hat oder ob man in der richtigen Halle sitzt.

Alles in allem: Manche sangen, andere suchten sich einen Weg durch das fette Kirchentagsprogrammbuch, das wiederum andere, weil sie sich einfach treiben lassen wollten, ignorierten, weil es ohnehin so übersichtlich zu lesen war wie das Branchenbuch von Kuala Lumpur.

Tatsächlich mutet es etwas bizarr an, wenn aus einer frömmelnden Gruppe heraus plötzlich Fußballlieder angestimmt werden: friedlich sogar dann, wie am Potsdamer Platz am Sonnabend, wenn sich Bayern- und Lauternfans in einem Block zusammenstehend fanden. Seltsam entrückte Welt. Da war der schöne Vorsatz zum Verstehen gelebtes Leben.

Sagt ein Bayern-Fan, als seine Mannschaft schon mit zwei Toren führt, zu einem der Freunde Lauterns: „Finde ich echt doof, dass ihr nicht so schnell ins Spiel findet.“ So viel Empfindsamkeit für die Leiden des Anderen: Das ist der Unterschied zwischen Olympiastadion und dem Terrain des Kirchentags.

Und so viel Aufmerksamkeit für das Heutige: 200.000 Menschen, die sich einmal nicht als Zeitgeistopfer fühlen mussten. Die keinen Spott ernteten, weil sie wie PfadfinderInnen aussahen – es waren ja welche. Irgendwie nahm sich gegen sie die kühle Eleganz der Neuen Mitte Berlins lebensfern aus. Gentechnik, Entschuldung der Dritten Welt, Kindesmissbrauch, Agenda 2010 – auf welchen Foren auch immer Themen wie diese diskutiert wurden, irgendwie sahen vor allem die jungen Christen wie Jünger von Attac aus: Nachwuchs, mit dem die Union rechnen muss, will sie denn irgendwann regieren.

Leider soll die nächste Party erst 2008 steigen. Sie möge denn wieder Ökumene heißen. Aber sind Namen nicht gleich? Katholiken und Evangelen: Sie nahmen sich nichts mehr übel. Es war eine sehr schöne Stimmung. Ein Ausnahmezustand, gewiss. Wie jede Feier, die sich das Bessere vornimmt.