Murdoch auf allen Kanälen

Die US-Kommunikationsbehörde FCC entscheidet heute, ob sie die Monopolvorschriften im US-Medienmarkt weitgehend aufheben wird. Gewinner sind jetzt schon die großen Konzerne

aus Washington MICHAEL STRECK

Vor Rubert Murdoch gibt es kein Entrinnen mehr. Das Gesicht des Medienmoguls erscheint allen Bildschirmen. Nur unten rechts in der Ecke stehen noch die Logos der großen US-Networks Fox, CBS, NBC und ABC. „Dieser Mann will die Nachrichten Amerikas kontrollieren“, warnt die Schlagzeile einer Anzeige, die in diesen Tagen in der New York Times und der Washington Post erschien. Die ungewöhnliche „Werbung“ ist letzter Kraftakt einer erst vor wenigen Wochen erwachten, jedoch anschwellenden Protestbewegung, die die wahrscheinlich folgenschwerste Umwälzung der Medienlandschaft in den USA verhindern oder zumindet verzögern will.

Die staatliche US-Kommunikationsbehörde (FCC), die den Medienmarkt überwacht und die lukrativen Rundfunklizenzen vergibt, will – mit Rückendeckung des Weißen Hauses – heute darüber entscheiden, ob seit Jahrzehnten geltende Monopolschranken gelockert oder ganz aufgehoben werden. Der Dammbruch ist wahrscheinlich, da die Republikaner ihre Zustimmung signalisiert haben – und mit drei von fünf FCC-Kommissaren im Gremium die Mehrheit stellen.

Konkret sehen die Pläne vor, die so genannte cross-ownership-Regelung aufzuheben, wonach Zeitungsuntenehmen keine Radio- oder TV-Stationen in derselben Stadt besitzen dürfen. Außerdem entscheidend im – anders als in Deutschland – vor allem von lokalen Anbietern geprägten US-Fernsehmarkt: Bald kann ein Medienunternehmen drei TV-Sender in einer Stadt betreiben, bislang waren es nur zwei. Und auch für die landesweiten Fernseh-Networks können weiterwachsen: Sei dürfen in Zukunft bis zu 45 Prozent des nationalen Marktes kontrollieren. Momentan liegt die Obergrenze bei 35 Prozent.

Von der neuen Liberaliserungswelle würden vor allem die mächtigen Konzerne profitieren, die heute im Besitz der großen landesweiten TV-Networks mit ihren zahlreichen angeschlossenen Lokalstationen (Affiliates) sind: Murdochs News Corporation (Fox), Viacom (CBS), der Mischkonzern General Electric (NBC) und Disney (ABC).

Experten erwarten nach der FCC-Reform zahlreiche neue Zusammenschlüsse. Murdoch will sich für 6,6 Milliarden Dollar den Satellitensedner DirecTV einverleiben. Damit bekäme sein Medienimperium Zugang zu weiteren 11 Millionen US-Haushalten. Auch Zeitungsverlage mischen bei der Neuaufteilung des US-Medienmarktes kräftig mit. So befürwortet auch die New York Times Company die neuen FCC-Bestimmungen und hat hinter den Kulissen eifrig dafür geworben, dass sie zuügig verabschiedet werden. Denn längst ist aus dem reinen Zeitungshaus ein Medienriese mit 3,1 Milliarden Dollar Jahresumsatz geworden, dem auch Anteile am Discovery Channel, acht weiteren TV-Stationen und 18 Zeitungen (u. a. Boston Globe) gehören. Und das Flaggschiff des liberalen und unabhängigen Journalismus in den USA ist weiter auf Expansionskurs – ein Bestreben, das gegenüber den eigenen New York Times-Lesern allerdings weitgehend verschwiegen wird.

Die Aussicht auf noch stärkere Konzentration in immer weniger Händen und dem damit verbundenen aggressiveren Wettbewerb, der am Ende nur noch Talkshows, Reality-TV und Celebrity-Entertainment in immer längere Werbeblöcke schiebt, schmiedet ungewöhnliche Allianzen auf der Gegenseite: Verbraucherschützer und Bürgerrechtler überschwemmten die FCC mit hunterttausenden E-Mails. Die Politaktivisten von MoveOn.org (www.moveon.org) haben bislang 170.000 Unterschriften für eine Petition gesammelt, um die existierenden Bestimmungen beizubehalten. Aber auch 300.000 Mitglieder der erzkonservative „National Rifle Association“, die für das Grundrecht auf Waffenbesitz eintritt, haben Protestpostkarten an die FCC geschickt: Sie fürchten, „liberale“ Medienhäuser könnten die mehrheitlich eher konservativen lokalen TV-Stationen kontrollieren, die der Waffenlobby bislang wohlgesonnen sind.

Auch im Kongress regt sich Widerstand. Hundert demokratische Abgeordnete forderten in einem Brief an FCC-Chef Michael Powell, die Entscheidung zu vertagen, 15 Senatoren beider Parteien erklärten öffentlich ihre Ablehnung. Selbst Medienbossen wird angesichts der neuen „Monopoly-Runde“ mulmig. „Wir brauchen mehr Regulierung, nicht weniger“, sagt Barry Diller, legendärer TV-Unternehmer und derzeit Direktor der Washington Post Company. Und kein Geringerer als CNN-Gründer Ted Turner beklagt: „Wir haben schon jetzt fünf Unternehmen, die 90 Prozent dessen kontrollieren, was wir lesen, sehen und hören. Das ist nicht gesund.“

Die FCC habe die weitere Deregulierung damit gerechtfertigt, dass man sich mit der Entstehung von Internet, Kabel- und Satelliten-TV und dem Übergang zum digitalen Rundfunk weniger Sorgen um Monopole machen müsse, sagt Robert McChesney, Autor des Buches „Rich Media, Poor Democracy“ und Medien-Professor an der University of Illinois: „Doch das ist ein Irrtum.“ Die neuen FCC-Regeln würden die unkontrollierte Medienkonzentrationanheizen und ausschließlich den Interessen weniger Großkonzerne dienen. Der Eindruck von Medienvielfalt bei einer Auswahl von über 500 TV-Kanälen sei trügerisch, so McChesney, denn sie würden nur noch von einer Hand voll Unternehmen kontrolliert.

Als warnendes Beispiel dient den Kritikern die weitgehende Liberalisierungdes Radiomarktes 1996 – damals unter dem Demokraten Bill Clinton: Innerhalb weniger Jahre stieg das Unternehmen Clear Channel Communications zur alles beherrschenden Radiomacht in den USA auf. Besaß Clear Channel 1995 nur 40 Sender, sind es heute über 1.200. Zweitgrößter Hörfunk-Verbund ist heute Infinity Broadcasting. Senderzahl: knapp 200.

weitere Infos: www.fcc.gov