Bürger abschaffen

Bürgerschaft debattiert über neue Hürden für Bürgerbegehren, welche Schwarz-Schill missfallen. Agenda 2010 und Hamburger Mediengesetz kommen auch zur Sprache

Der Senat versucht, unliebsame Bürgerbegehren auszuhebeln. Das glauben die Oppositionsparteien SPD und GAL, welche das Thema für die Aktuelle Stunde der morgigen Bürgerschaftssitzung anmeldeten. Unbegründet ist ihr Verdacht nicht.

Denn vorige Woche beschloss der Senat, bezirkliche Bürgerbegehren künftig binnen vier Wochen zur Landesangelegenheit zu ernennen, wenn diese seinen Absichten entgegenstünden. Und das betrifft fast alle. Nach einer solchen Senats-Evokation würde das bezirkliche Begehren hinfällig. Zudem fordert Walter Wellinghausen, als Staatsrat der Innenbehörde zugleich Landesabstimmungsleiter, höhere formale Hürden (taz berichtete).

Wegen des Erfolgs des Volksbegehrens der Gewerkschaft ver.di gegen einen Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) schlug er vor, Unterschriften nur noch in Bezirks- und Ortsämtern sammeln zu lassen und nicht mehr an Info-Ständen. Dort aber waren mehr als 95 Prozent der 112.000 Unterschriften beim LBK-Begehren gesammelt worden. Die Meinungen der HamburgerInnen „stören den Senat beim Regieren“, mutmaßen Rot und Grün deshalb.

Die Rechts-Koalition wird das mit Sicherheit ebenso wortreich bestreiten wie sie anschließend die gerade beschlossene Schröder-Reform der Hamburger SPD vorzuwerfen gedenkt. „Erst die Reichen, dann die Erben, jetzt die Rentner“ sollten abgezockt werden, schäumt die FDP. Ohne dabei zu bedenken, dass die Agenda weniger schlimm wäre, wenn die beiden ersten Behauptungen einen Realitätsbezug hätten.

Zwei weitere Tagesordnungspunkte lassen zudem Hitziges erwarten. Die erste Lesung des Schulgesetzes (siehe oben) wird mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine vehemente Wortschlacht ausarten. Ähnliches ist auch bei der Diskussion über das neue Hamburger Mediengesetz zu erwarten.

Der Entwurf der Hamburger Regierungskoalition sieht vor, die privaten Radiosender der Stadt weitestgehend von lästigen Informationssendungen zu verschonen und dafür den Dudelanteil zu erhöhen. Auf scharfe Kritik bei SPD und GAL stößt auch die geplante Abschaffung des Bürgerfernsehens und -radios im Offenen Kanal sowie die Entmachtung von Verbänden und Organisationen im Vorstand der Landesmedienanstalt (HAM).sven-michael veit