Der Anfang der großen Clinton-Festspiele

Fortsetzung folgt: Nach Hillarys „Gelebter Geschichte“ erscheinen nächsten Sommer die Memoiren des Ehemanns – mitten im Wahlkampf

NEW YORK taz ■ Am Ende war es dann doch ergreifend. Wochenlang hatte man gerätselt. Was wird sie sagen? Es hatte keine Rezensionsexemplare von Hillary Clintons „Living History“ gegeben, auf Nachfrage war man lediglich auf das große Fernsehinterview verwiesen worden, dass die ehemalige First Lady am Abend vor der Veröffentlichung ihrer Memoiren geben werde. Und da saß sie nun in ihrem Wohnzimmer, und als die große Frage dann schließlich kam – die Frage, die die Titelseite der Boulevardzeitung New York Post am Sonntagmorgen in den prosaischen Satz „Why I stuck with Bill“ gefasst hatte –, da nahm Hillary Clinton ihr Buch zur Hand und las eine Liebeserklärung an ihren Mann vor. Vor einundreißig Jahren habe sie ein Gespräch mit ihm begonnen und es sei bis heute nicht zu Ende. Wer es danach gar nicht mehr aushielt, konnte sich in eine der New Yorker Filialen der Buchhandelskette Barnes & Nobles begeben, die eigens bis ein Uhr morgens offen blieben, um das Buch ab Mitternacht verkaufen zu können.

Einen sensationellen Vorschuss von 8 Millionen Dollar soll Hillary Clinton für „Living History“ bekommen haben, die Startauflage liegt bei 1,5 Millionen Exemplaren in 17 Ländern, 1 Million allein in den USA. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist gut gewählt, fällt er doch mitten in ein kleines Clinton-Revival. Der ehemalige Präsidentenberater Sidney Blumenthal hat im vergangenen Monat unter dem Titel „The Clinton Wars“ seine Erinnerungen an die Zeit im Weißen Haus vorgelegt. George Stephanopolous, ein weiterer ehemaliger Clinton-Berater, ist seit einiger Zeit Gastgeber einer Polit-Talkshow, und Monica Lewinsky moderiert eine einigermaßen trashige Fernsehsendung, in der sich Männer in Gummimasken um die Gunst einer Frau im Praktikantinnenalter bemühen.

Aber auch wenn sich die Vermarktung des Buchs auf die Frage nach der Clinton-Ehe konzentriert, perspektivisch geht es bei dem Veröffentlichungsspektakel um einiges mehr. Sollte sich Hillary Clinton nämlich tatsächlich um eine Präsidentschaftskandidatur für 2008 bewerben, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, die lästigen Fragen zu beantworten und die Vergangenheit ein für alle Mal aus dem Weg zu räumen. Als Senatorin von New York hat sie sich in den letzten Jahren in Washington eher im Hintergrund gehalten. Trotzdem ist sie die bei weitem beliebteste Politikerin der Demokraten. Bevor nun der Präsidentschaftswahlkampf losgeht, tritt sie mit ihrem Buch noch einmal spektakulär an die Öffentlichkeit. Sollten die Republikaner im Herbst 2004 die Präsidentschaftswahl gewinnen, hätte sie vier Jahre Zeit, sich ein neues Image zu geben und eine Kandidatur vorzubereiten, die ihr die dann wahrscheinlich völlig demoralisierten Demokraten kaum abschlagen könnten.

Diese sind auch jetzt schon die eigentlichen Leidtragenden des Spektakels. Seit Wochen versuchen sie ziemlich erfolglos, einen Kandidaten und ein Programm zu finden, mit dem sie eine weitere Amtszeit von George W. Bush verhindern könnten. Der Trubel um das Buch der ehemaligen First Lady rückt sie noch weiter in den Hintergrund.

Während des Amtsenthebungsverfahrens gegen Bill Clinton vermutete Hillary eine „weitläufige konservative Verschwörung“ gegen ihren Mann, spottet in der aktuellen Ausgabe des Nachrichtenmagazins Newsweek ein Kommentator, zumindest die Verschwörung gegen die Demokraten sei nun wieder da, wenn auch mit einer kleinen Veränderung: Die treibende Kraft seien die Clintons selbst. Tatsächlich ist die Veröffentlichung von „Living History“ erst der Anfang der großen Clinton-Festspiele. Für den Sommer kommenden Jahres hat Bill Clinton die Veröffentlichung seiner Memoiren angekündigt – mitten in der heißen Phase des Präsidentschaftswahlkampfs. TOBIAS RAPP