INTERNATIONALES STRAFGERICHT: BUNDESREGIERUNG KNICKT EIN
: Erpressung lohnt sich

Drohungen und Erpressung sind erfolgreiche Mittel in der internationalen Politik. Das zeigt erneut der Mehrheitsbeschluss, mit dem der UN-Sicherheitsrat einem eindeutig völkerrechtswidrigen Ansinnen der US-Regierung nachkam: Ein weiteres Jahr sind US-BürgerInnen, die an UN-Friedensmissionen beteiligt sind, vor dem Internationalen Strafgerichtshof immun.

Doch Erpressung funktioniert nur, wenn sich auch jemand erpressen lässt. Vor einem Jahr konnte George W. Bush die anderen 14 Ratsmitglieder noch mit einer Vetodrohung gegen die damals gerade anstehende Verlängerung der UNO-Friedensmission in Bosnien gefügig machen. Ein entsprechend konkretes Druckmittel hatte er diesmal gar nicht zur Verfügung. Umso unverständlicher ist, dass die Bundesregierung, die den letztjährigen Beschluss noch deutlich kritisiert hatte, vorgestern Nacht nicht mit Nein gestimmt hat.

Von ihrer konsequenten Unterstützung für einen unabhängigen Internationalen Strafgerichtshofes ist die rot-grüne Koalition damit weiter abgerückt. Sie ist nun mitverantwortlich dafür, dass eine internationale Zweiklassenjustiz etabliert und damit die wichtigste internationale Institution seit Gründung der UNO geschwächt wird.

Dabei wird das Berliner Kalkül nicht aufgehen, mit derart opportunistischem Verhalten das beschädigte Verhältnis zu den USA wieder zu reparieren. Im Gegenteil: Die Gefügigkeit, die Deutschland und auch Frankreich bei diesem Sicherheitsratsbeschluss gezeigt haben, wird die US-Regierung nur in ihrer Politik bestärken. Sie wird weitere Zugeständnisse auch auf anderen Politikfeldern einfordern – als Beweis der Reue für die Kritik am Irakkrieg. Einer Kritik, die, unabhängig von ihren Motiven, völlig richtig war und weiterhin dringend notwendig wäre. Nach dem Einknicken Deutschlands und Frankreichs im Sicherheitsrat wird es für viele kleinere Staaten noch schwieriger, dem massiven Druck zu widerstehen, mit dem Bush sie zu bilateralen Abkommen über die Nichtauslieferung von US-BürgerInnen an den Strafgerichtshof nötigt. ANDREAS ZUMACH