La isla bonita

Das Meer schluckt jede Qualität: Guy Ritchies „Stürmische Liebe – Swept Away“ mit Madonna in der Hauptrolle

Es ist schon ein Elend mit den Filmen, in denen Madonna mitspielt. Wie gerne würde man es sehen, dass jene unselige Anhäufung von Katastrophen ein Ende fände. Wie gerne würde man einen Film mit Madonna sehen, der noch einmal ähnlich gut wäre wie „Susan, verzweifelt gesucht“, ihr Leinwanddebüt. Im Grunde spräche nichts dagegen. Madonna muss niemandem mehr etwas beweisen, als hundertfache Millionärin dürfte kein ökonomischer Druck sie vor die Kamera zwingen, und als Königin des Pop dürfte auch das karrierestrategische Verlangen danach, das eigene Tätigkeitsportfolio durch regelmäßige Filmauftritte aufzuwerten, nicht besonders ausgeprägt sein. Madonna könnte in aller Ruhe auf ihrem englischen Landsitz den lieben Gott einen guten Mann sein lassen und darauf warten, dass ein gelungenes Drehbuch hereinflattert und ein fähiger Regisseur sich meldet.

Nun blickt Madonna jeden Morgen einem solchen in die Augen, ihrem Ehemann Guy Ritchie nämlich. Doch im Fall von „Stürmische Liebe“, dem Film, den Ritchie mit und für seine Ehefrau drehte, scheint auch das nichts geholfen zu haben. „Stürmische Liebe“ ist eine solches Machwerk, dass selbst „Shanghai Surprise“ neben ihm noch als vergleichsweise gelungen dasteht, jener Film, den Madonna vor vielen Jahren gemeinsam mit ihrem dauerbetrunkenen damaligen Mann Sean Penn herunterkurbeln ließ.

Worum geht es? Amber (Madonna), eine arrogante und ständig schlecht gelaunte Millionärszicke (schlecht gelaunt, weil schlecht gefickt, wie sich ziemlich bald herausstellt), macht zusammen mit ihrem Mann Tony (Bruce Greenwood) und einigen Freunden Urlaub in der Ägäis. Sie haben einen umgebauten Fischkutter gemietet und lassen sich übers Meer schippern. Niemand entgeht Ambers beißendem Spott, besonders hart trifft es aber Giuseppe (Adriano Giannini), den Stewart des Schiffs, einen von der Unbill der Zivilisation unberührten Naturburschen.

Es kommt, wie es kommen muss: Bei einem Bootsausflug geraten Amber und Giuseppe in ein Unwetter, stranden auf einer einsamen Insel, und auf einmal muss Amber feststellen, dass ihr die Millionen ihres Ehemanns in der Wildnis gar nichts nutzen. Prompt dreht Giuseppe den Spieß um und macht Amber zu seiner Dienerin. Das gefällt Amber natürlich gar nicht, aber Giuseppe muss keine große Mühe aufwenden, die Widerspenstige zu zähmen. Welches verwöhnte Luxusweib könnte in der freien Wildbahn auch der Kraft eines richtigen Mannes widerstehen? So kocht sie bald für ihn und freut sich darüber, nie mehr in die Zivilisation zurückkehren zu müssen. Natürlich geht es nicht gut aus.

„Stürmische Liebe“ will das Remake eines Films von Lina Wertmüller sein, „Hingerissen von einem ungewöhnlichen Schicksal im azurblauen Meer im August“ (1974). Wahrscheinlich kam den Ritchies die Idee vor dem heimischen Fernseher, wo sie sich allgemein kulturkritisch gestimmt dachten, „kommunistischer Fischer strandet mit Millionärin auf einsamer Insel“: Das sei doch eine Idee, aus der man etwas machen könne.

Hätte man auch. „Stürmische Liebe“ ist allerdings weder ein Exploitation-Film über sexuelle Abhängigkeiten noch eine Parabel auf den ewigen Kampf zwischen Natur und Zivilisation und auch kein Film über die Klassenkämpfe auf Touristenkuttern. Dass die italienischen Schiffsangestellten sich in gebrochenem Deutsch unterhalten, deutet an, dass es auch ein Komödie hätte werden können, und auch wenn sich das in der Synchronisation besonders armselig anhören mag, schon auf Englisch dürfte das keine auch nur im Ansatz gute Idee gewesen sein. Es ist einfach misslungen.

Darüber hinaus sind die Dialoge so erbärmlich, die Schauspielkunst aller Beteiligten so bescheiden, dass selbst das „Der Film ist so schlecht, dass er schon wieder gut ist“-Moment nicht greift. „Stürmische Liebe“ ist noch schlechter.

Was einen über all diesem Elend jedoch richtiggehend betroffen machen kann, ist die Erkenntnis, dass Madonna den ganzen gedanklichen Plunder, den man auf ihrer letzten Platte „American Life“ noch in Kauf nahm, weil er sich gut anhörte, tatsächlich ernst meint: Geld ist nicht alles, Gärtner, Kindermädchen, Koch, Fitnesstrainer, Landhaus und Privatjet sind gar nicht so wichtig. Von einem Philosophen aus der Tonne würde man sich über solche Dinge gerne belehren lassen. Von jemandem, der seinen Reichtum dazu einsetzt, über solche Fragen Filme wie „Stürmische Liebe“ zu drehen, wünscht man sich, dass diese Filme den privaten Kinosaal im Keller des englischen Landhauses niemals verlassen.

TOBIAS RAPP

„Stürmische Liebe – Swept Away“. Regie: Guy Ritchie. Mit Madonna, Adriano Giannini u. a. USA 2002, 90 Min.