„Wir sind keine APO“

Protestinitiative aus der Wirtschaft unterstützt rot-grüne Sparrunde. Gespräche über Fusion der Edel-Apo

BERLIN taz ■ Plötzlich ist der Ton versöhnlich. Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) hat gestern auf einer Pressekonferenz in Berlin die geplanten Reformen der Bundesregierung bei der Arbeitsmarkt- und Gesundheitspolitik gelobt. Bundesbankpräsident a. D. Hans Tietmeyer sprach von einem ersten Schritt in die richtige Richtung. Er und seine prominenten Mitstreiter hatten stets scharfe Kritik an Rot-Grün geäußert. Auf die Frage, ob jetzt Schluss sei mit Protest, antwortete der Kuratoriumsvorsitzende: „Wir sind nicht die Apo.“ Richtige Ansätze gelte es zu unterstützen. Am 22. Juni startet die neue Anzeigenkampagne der Initiative, „Mehr Jobs!“, mit Prominenten wie Dieter Gorny (Viva-Chef) und Udo Walz (Coiffeur).

Mit der Aktion will die INSM nach eigenen Angaben „Vorschläge für mehr Arbeit machen“. Die teilnehmenden Prominenten richten sich dazu mit unterschiedlichen Forderungen ans Volk. So fordert etwa der heutige WAZ-Geschäftsführer und ehemalige Kanzler-Intimus, Bodo Hombach, dass sein früherer Arbeitgeber auch intern zum Rotstift greift: „Weniger Geld für den Staat schafft mehr Wachstum und damit mehr Arbeitsplätze.“ Der Zeitpunkt für die Aktion sei bewusst gewählt, erzählt Klaus Zimmermann. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ist ebenfalls Botschafter von „Mehr Jobs“ und will erreichen, „dass aus der Sommerpause kein Sommerschlaf wird“. Die INSM fordert unter anderem ein flexibleres Arbeitsrecht, ein einfacheres Steuerrecht und mehr Anreize für Niedriglohnjobs.

Damit ist sie nicht allein. In den letzten Monaten sind unzählige private Initiativen in Erscheinung getreten. Sie heißen „Projekt Neue Wege“ oder „Aktion mündige Bürger“, und sie alle haben eines gemeinsam: Sie wollen den Staat verändern. Dabei unterscheiden sie sich allerdings stark von denjenigen, die vor 35 Jahren mit demselben Vorsatz antraten. Die Forderung von heute lautet nicht: mehr Gerechtigkeit und weniger Krieg, sondern: mehr Markt und weniger Staat.

Seit kurzer Zeit gibt es bei den neoliberalen Revoluzzern erste Anzeichen einer „Marktbereinigung“. Statt parallel die gleichen Ziele zu verfolgen, planen die Branchengrößen angeblich, ihre Aktivitäten zu koordinieren. Offiziell übt man jedoch noch Zurückhaltung. So reagierte INSM-Kuratoriumsvorsitzender Tietmeyer ausweichend auf die Frage nach möglichen Fusionen: „Unser Land braucht so viel Bewegung“, orakelte er, „da kann es gar nicht genug Initiativen geben.“ Der Spiegel berichtet hingegen diese Woche über einen geplanten Zusammenschluss der „Edel-Apo“. In dem Bericht heißt es, die INSM plane eine Fusion mit dem „Bürgerkonvent“. Ursache hierfür sei Druck vonseiten deutscher Großkonzerne und reicher Privatunternehmer. Diese wollten so den Reformdruck weiter erhöhen. Einfädeln soll den Deal der einflussreiche Münchner Headhunter Dieter Rickert, der bis vor kurzem noch an einer eigenen Initiative gebastelt hat.

Beim Bürgerkonvent gab man sich etwas offener: Im Juli sei in der Tat, wie der Spiegel berichtet, eine Gesprächsrunde zwischen Bürgerkonvent, INSM und Rickert-Initiative geplant, bestätigte Vorstand Gerd Langguth. „Dort werden wir darüber sprechen, wie die Kooperation zwischen den drei Initiativen vertieft werden kann.“ Konkurrenz sähe er nicht, vielmehr „gleichartige Ziele“. FELIX SERRAO

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