Dies So-tun-als-ob ist unerträglich

Der Kokainkonsum von Michel Friedman zeigt einmal mehr, wie hysterisch Medien und Gesellschaft auf Drogen reagieren. Ausgeblendet wird dabei, dass erwachsene Menschen für ihren Wunsch nach Rausch auch selbst verantwortlich sind

Der Drogengenuss wird erst durch den folgenden Hangover komplett

von DETLEF KUHLBRODT

Vieles nervt an dem so genannten Fall Friedman. Die Medien nerven, die den vermuteten Gebrauch einer in Medienkreisen beliebten Droge skandalisieren, die Verteidiger Friedmans nerven, die die x-te gleich lautende Eloge auf die entnervenden Talkshows des Multifunktionsträgers halten; Michel Friedman selbst bekommt durch die so genannte Affäre eher etwas Sympathisches. Sein Schweigen hat Stil, auch wenn eine Nachvorneverteidigung bei entblößter Abwehr viel besser wäre. Damals, als ein Sat.1-Team auf den Bundestagsklos Kokainreste fand, hatten alle das eher lustig gefunden und niemand wäre auf die Idee gekommen, polizeiliche Ermittlungen zu fordern. Stattdessen bekam Ulrich Meyer Hausverbot. Und nun halt: Skandal.

Wer als erwachsener Mensch Drogen nimmt, hat die Folgen auf sich zu nehmen, auch wenn er die Verbote für falsch hält. Aber viele, die Drogen nehmen, halten die Verbotslage ja für richtig, solange sie nicht erwischt werden. Dass man hierzulande aber davon auszugehen scheint, es hätte auch nur irgendetwas mit Moral zu tun, wenn jemand möglicherweise mal gekokst hat, ist nicht nachvollziehbar. Am abstoßendsten war die Bild, die wie im „Fall“ Daum titelte „Wie krank ist Friedman wirklich“ und damit meinte, jeder der möglicherweise mal gekokst hätte, müsse notwendigerweise „krank“ im Sinne von unzurechnungsfähig, irrsinnig, kranker Geist und kranke Meinung (und logischerweise auch rückwirkend), mit allen Implikationen sein.

Dann gab's „die ersten Fotos aus Friedmans Versteck“, und man ist angewidert wie immer über die moralische Verkommenheit der Zeitung und der für sie arbeitenden Menschenjäger. Natürlich ist davon auszugehen, dass in den Redaktionen der Zeitungen, die so tun, als sei es wer weiß für ein Verbrechen, illegalisierte Drogen zu sich zu nehmen, auch Leute sitzen, die selbst gern mal eine Line ziehen, um ihren Alltag zu ertragen, weil's schick oder schön teuer ist.

Am Anfang gab es das Wort und wenig später auch schon das erste Drogenverbrechen, als Eva von dem Apfel aß. Dass der „Kampf“ gegen Drogen – ob Heroin oder Hasch – nicht zu gewinnen ist, Unmengen an Ressourcen vernichtet, die Umwelt beträchlich in Mitleidenschaft zieht (wegen des anfallenden Sondermülls illegaler Labors, der wiederum nicht als Sondermüll entsorgt werden kann zum Beispiel) und wahrscheinlich mehr Opfer kostet als er, wie soll man sagen, „einspart“, ist eine Binsenweisheit. Dass die Drogenverbote willkürlich sind, auch. Überhaupt ist es wie so häufig im Leben, dass nichts zu tun wohl besser wäre.

Drogennehmen hat nichts mit einer übergeordneten gesellschaftlichen Moral zu tun. Etwas anderes aus Gründen des Populismus zu behaupten ist verlogen. Diverse Drogen sind nicht deshalb illegal, weil sie womöglich so viel schädlicher wären als erlaubte, sondern weil sie halt verboten sind. Das Verbot erhöht ihre Attraktivität; auch die der schnellen, Angst lösenden Egodrogen, die andererseits so gut in die Leistungsgesellschaft zu passen scheinen und wie Kokain auch Statusymbol sind.

Kokain stand Pate bei Freuds „Traumdeutung“, und bei Friedman wundert man sich auch wieder über das Auseinanderdriften zwischen veröffentlichter Meinung und der Wirklichkeit, wie man sie selbst so kennt in Berlin. Wenn man hier auf irgendeiner Kulturparty wäre und jemand würde lang und breit darüber erzählen, dass er also gestern gekokst hätte, würde doch jeder halbwegs normale Mensch genervt sein und sagen, na und, wo ist das Problem? Wo ist die Geschichte? Andererseits kann Drogennehmen sehr schön sein, wobei der Drogengenuss erst durch die Folgen, den Hangover, komplettiert wird. In den Knast kommen die Kleinen während die Großen …, ach was, dies So-tun-als-ob ist ja überall das Unerträgliche.

Andererseits ist Friedman selbst ein herausragender Vertreter des So-tun-als-ob, ein Streber, Einsenschreiber, Ehrgeizling, Bundesverdienstkreuzträger, der ausschließlich Leitartikelschriftdeutsch redet, der den anderen immer nur ins Unrecht setzen will. Im Hintergrund wirkte er dabei gehetzt, aber das kam wohl kaum vom Kokain. Man kann sich Friedman nicht vorstellen als Teil einer Gruppe, die gemeinsam was nimmt, und wenn’s gut läuft, gibt's Enthusiasmus, Nähe und ein schönes Gemeinschaftserlebnis vor dem Kater.

Der war allein, so stellt man sich das vor, und das ist ja das Traurige, dass er wohl nicht einmal Kumpels hatte, mit denen er schön koksen konnte, sondern sich dazu irgendwelche Nutten ins Haus holen musste. Die Geschichte ist traurig. Ihr Held, über dessen Bild in den Medien man ja nur reden kann, wird sicher klüger dadurch werden. Man wünscht Michel Friedman alles Gute!