Im Therapieraum

Der BDA feiert seinen 100. Geburtstag in der Frankfurter Paulskirche. Doch es steht schlecht um den Lobbyverband

Der Terminus „Jubilar“ hat etwas Zweideutiges. Bezogen auf einen alten Herrn oder eine altehrwürdige Dame bedeutet er, dass jene ein fast biblisches Alter geschafft haben – oder trotzdem schon mit einem Bein im Grabe stehen. Für den vornehmen Bund Deutscher Architekten (BDA), der heute seinen 100. Geburtstag mit Pauken und Trompeten in der Frankfurter Paulskirche feiert, gilt Ähnliches. Denn gemessen am Gestus internationaler Architekturverbände und deren Zugpferde wie Norman Foster (England), Peter Eisenman (USA) oder Rafael Moneo (Spanien) und deren innovativer und zudem gesellschaftspolitischer Reputation befindet sich der deutsche Bauadel seit den 90er-Jahren in seiner tiefsten berufspolitischen, intellektuellen und wirtschaftlichen Depression. Der Jubilar liegt gewissermaßen schon auf dem Sterbebett.

Die Erwartung des Kölner Bauinspektors Bernhard Below, der am 21. Juni 1903 an seine Tochter schrieb: „Ich habe eben den Bund Deutscher Architekten gegründet, der hoffentlich für immer bestehen bleibt“, steht heute zum zweiten Mal auf dem Prüfstand. Die Vereinigung, gegen die massiven Begehrlichkeiten des „Bauunternehmertums“ und als Lobby für ein offenes Wettbewerbswesen und eine verbesserte akademische Ausbildung gegründet, war erstmals 1935 von den Nazis liquidiert worden.

Nach der Neugründung des BDA 1948 und der Zeit zwischen 1960 und 1989 als geistiger Ideengeber für neue gesellschaftliche, architektonisch-technische und städtebauliche Positionen in der stilbildenden „Demokratie als Bauherr“ herrscht jetzt wieder Endzeitstimmung. Ein Grund ist der 2002 in Berlin durchgeführte Architekten-Weltkongress UIA „Ressource Architektur“, der zum inhaltlichen und vor allem finanziellen Desaster geriet, das eine Insolvenz möglich erscheinen lässt, wie BDA-Präsident Kaspar Kraemer einräumen muss.

Die tiefere Ursache für das Desaster liegt darin, dass der elitäre Verband, dem man nicht beitritt, sondern in den man nur per Empfehlung berufen werden kann, sich Mitte der 90er-Jahre mit Gottlieb Hempel einen ebenso blassen wie ideenlosen Funktionär an die Spitze holte. Viel zu spät stellte sich der BDA dem Konflikt, dass die Bauwirtschaft am Boden lag, am Bau der Generalunternehmer das Heft in die Hand nahm und die Rolle deutscher Architektur zur Marginalie jenseits aktueller baulicher Entwicklung avancierte. Hempels Nachfolger Kaspar Kraemer möchte den in den letzten Jahren fehlenden „gesellschaftlichen Diskurs zur Unentbehrlichkeit der Planung, zu qualitativer Architektur und Umweltgestaltung“ nachholen und spricht von „Aufbruch“. Der Therapieraum Paulskirche soll es nun richten, den Verband und Zustand der über 5.000 freiberuflichen Architekten und Architektinnen im BDA mental wieder aufzurichten. ROLF LAUTENSCHLÄGER