Jesus kam nur bis Manchester

Zum 13. Mal präsentiert die Cologne Conference ganz subjektiv internationale TV-Höhepunkte. Doch die hiesigen Sender halten sich bei der Übernahme ausländischer Programmware mehr denn je zurück. Und so kommt der Heiland vielleicht nach Nordengland. Aber nicht bis ins deutsche Fernsehen

von STEFFEN GRIMBERG

Jesus lebt. Ausgerechnet in Manchester. Jesus heißt auch nicht Jesus. Sondern Steve. Ist nicht Sohn eines Tischlers. Sondern arbeitet im Easy Rent Video Store. Und war bis gerade eben eigentlich ein ganz sympathischer nordenglischer Loser. Der plötzlich verschwindet. Und nach 40 Tagen in den Mooren von Yorkshire wieder auftaucht – murmelnd, er sei der Gottessohn.

Wunder gibt es in „The Second Coming“ (Foto: Christopher Eccleston als Heiland Steve Baxter) folglich genug, doch das deutsche Fernsehpublikum wird vom neuen Zweiteiler des britischen Erfolgsautors Russell T. Davies („Queer as Folk“) voraussichtlich so wenig mitbekommen wie von den meisten anderen Festival-Produktionen der diesjährigen Cologne Conference. Denn von den ausländischen Programmen ist zum ersten Mal in der Geschichte der internationalen TV-Werkschau am Rhein bisher kein einziger Film an einen deutschen Sender verkauft.

Mag das bei der ebenfalls britischen Erfolgsserie „The Office“ über den Boss from Hell, den so unerträglichen wie genialischen Dummchef der Firma Wernham Hogg Paper Merchants, wegen der lebensweltlich so verschiedenen Bürokulturen in Eng- und Deutschland noch verständlich erscheinen: Spätestens bei der US-Cop-Produktion „Boomtown“ dürfte eher die Sparfreude der krisengeplagten deutschen TV-Anbieter ausschlaggebend sein. Dabei erzählt „Boomtown“ nicht nur packend Kriminalfälle aus L. A., sondern lässt dieselben Ereignisse durch immer neue Blickwinkel über sich hinauswachsen. Was die Streifencops mitbekommen, sieht eben anders aus, als das Bild, das sich die Medien oder die zum Tatort gerufenen Rettungskräfte machen. Von den Tätern, ihren Angehörigen und denen der Opfer ganz zu schweigen.

Warum sich anscheinend auch ARD und ZDF um den (vermutlich gar nicht mal so teuren) holländischen Mehrteiler „Mevrouw de Minister“ über eine so fiktive wie realistische, aus der Lokalpolitik ins nationale Kabinett aufsteigende Ministerin drücken, bleibt rätselhaft. Sollte uns das deutsche Fernsehen aber tatsächlich Alexandra Pelosis Doku „Journeys with George“ über den Wahlkampf des G. W. Bush vorenthalten, wären wir ernstlich böse. Weil sie so verdammt gut ist, selbst wenn einem der Cheesy-Popps fressende Präsidentenaspirant hier und da fast sympatisch wird.

Nun war Politik seit je vor allem in der nichtfiktionalen Sparte der Cologne Conference wichtig. Und im ersten Produktionsjahrgang seit dem 11. 9. 2001 hat Festivaldirektorin Petra M. Müller auch bei den fiktionalen Stoffen „politische und gesellschaftspolitische Zusammenhänge“ als übergreifenden Trend ausgemacht. Auch bei den deutschen Sendern, die dieses Jahr u. a. Oliver Storzens Willy-Brandt-Parabel „Im Schatten der Macht“ (mit dem „echten“ Matthias Brandt als Günter Guillaume) beisteuern, sonst aber eher auf Adaption ausländischer Stoffe und Dramaturgien setzen als das Wagnis eingehen, internationale TV-Kost direkt auf deutsche ZuschauerInnen loszulassen.

Gerade hier war die Cologne Conference lange Trendsetter – und machte aufmerksam auf TV-Highlights von „Twin Peaks“ bis zu „Emergency Room“ und „Sex and the City“. Doch schon Festival-Entdeckungen wie die „Sopranos“ (ZDF) oder „Coupling“ (Pro 7) bescherten ihren deutschen Übernehmern nicht mehr den erhofften Erfolg. Dieses Jahr muss man selbst nach Köln. Es sei denn, es hilft Jesus vom Easy Rent Video Store. Das Festival läuft noch bis Donnerstag.

www.cologne-conference.de