IRAK: BESATZER STATT BEFREIER – DIE ERBITTERUNG WÄCHST
: Eine neue Widerstandsbewegung droht

Das Ende des militärischen Konflikts im Irak hatte US-Präsident George W. Bush am 1. Mai als frohe Frühlingsbotschaft verkündet. Seitdem sind über 40 US-Soldaten erschossen oder in die Luft gejagt worden. Auch die britische Besatzungsarmee beklagt nun ihre ersten Opfer, ganz zu schweigen von mehreren hundert Irakern, die in den letzten Wochen bei amerikanischen Razzien oder auf Demonstrationen erschossen wurden.

Die US-Militärverwalter des Irak und auch die Briten in ihrer Zone haben sich in das klassische Dilemma eines Besatzers hineinmanövriert. Sie können es nicht zulassen, dass ihre Soldaten nun fast täglich einer scheinbar cleveren Guerillataktik ihres Gegners oder auch nur dem Volkszorn zum Opfer fallen. Doch greifen sie hart durch, ist es auf Dauer vorbei mit dem „Gewinn der irakischen Herzen und Köpfe“: Jede Razzia, jede Hausdurchsuchung, jede Straßensperre und erst recht jede Erschießung auf Demonstrationen erhöht den Ärger derer, die nach amerikanischer Lesart eigentlich glücklich befreit sein sollten. Damit wird auch der bisher nahezu unsichtbare Gegner stärker – so beißt sich die Katze in den Schwanz.

Wer aber ist dieser Gegner? Sind es die Vertreter und Günstlinge des alten Regimes, die die letzten verzweifelten Versuche unternehmen, das Rad der Geschichte zurückzudrehen? Diese Version ist der US-Öffentlichkeit lieb: Nach al-Qaida werden jetzt die Fedajin Saddam als neue omnipotente Gegner hochstilisiert. Die Botschaft ist einfach: Nicht nur der Krieg gegen den Terror, auch der Kampf gegen Saddam geht weiter und legitimiert die Falken in Washington. Stets ist es eine militärische Lösung, die da propagiert wird, gekoppelt mit einem Versprechen: Spätestens mit dem Aufspüren Saddam Husseins – tot oder lebendig – werde dem Spuk ein Ende bereitet. Konsequent also auch der Angriff auf den Autokonvoi an der irakisch-syrischen Grenze, in dem sich nach vagen Geheimdienstinformationen Saddam oder seine Söhne befunden haben sollten. Die US-Boys haben da offensichtlich ganze Arbeit geleistet: Jetzt kann nur noch ein DNA-Test endgültigen Aufschluss über die Insassen der Fahrzeuge geben. Eines ist aber schon sicher: Die Gesuchten waren nicht darunter.

Doch möglicherweise entsteht aus den militärischen Angriffen gegen US-Soldaten und den spontanen Attacken gegen die Briten eine neue Widerstandsbewegung. Je länger die Siegermächte für den Wiederaufbau des Landes und dessen Übergabe an eine irakische Regierung brauchen, desto wahrscheinlicher wird diese Entwicklung. Dann wird es auch nicht mehr helfen, wenn eines Tages ein DNA-Test positiv ausfallen sollte.

KARIM EL-GAWHARY