Tut es dir auch Leid?

Max Färberböck lässt Papierfiguren antreten, um die privaten Auswirkungen des 11. September zu filmen

Die Grundidee zu „September“ ist vielleicht gar nicht so uninteressant. Wo sie gerade waren und was sie getan haben an jenem Dienstagnachmittag im September 2001, das erzählen sich viele Menschen in wechselnden Zusammenhängen immer wieder. Denn schließlich waren wir alle, die ganze Welt, dabei, als es passierte. Ob in New York oder auf Mallorca: wir sind Zeitzeugen. Deshalb hat es Max Färberböcks Film natürlich besonders schwer: Wir wissen alle noch, wie's wirklich war, wir sind Experten. Vor allem auf jenem Gebiet, das Färberböck in seinem Film mit Unterstützung von vier jungen Schriftstellerkollegen bearbeitet: das der privaten Auswirkungen.

Schon die Tagline – „Nichts ist mehr, wie es war“ – vermittelt die falsche Dramatik. Als ob wir uns in einem der Katastrophenfilme der 70er befänden, in denen schüchterne Menschen auf einmal ganz tapfer werden und die Überlebenden am Ende doch zur Ehefrau zurückkehren. Wir September-Zuschauer dagegen mussten eigentlich erst mühsam ausloten, inwieweit uns die Katastrophe überhaupt betraf.

In Färberböcks Film sind alle gleich sehr betroffen. Das lässt die Welt im Film ziemlich fremd erscheinen. Vier beziehungsweise fünf Geschichten schneidet der Regisseur ineinander, verbunden vor allem durch die werbefilmartigen Aufnahmen mit dynamisch die Tempi wechselnder Kamera und hochgezogenen Kontrasten, die manchmal den Farbfilm fast schwarzweiß aussehen lassen. Nur wenig erfahren wir über die Nachrichtensprecherin, die anscheinend Karriere macht in diesen Tagen, aber ihr Kind vernachlässigt. Im Zentrum des Films stehen drei Paargeschichten: der Banker, der sich von seiner depressiven Hausfrau trennen will, es aber dann doch lässt; der Polizist mit herzkranker Ehefrau, der seinen Sohn nicht versteht und prompt verlassen wird; und das pakistanisch-deutsche junge Glück, das gefährdet ist dadurch, dass sie, hochschwanger, es nicht fassen kann, dass er kein Bedauern zeigt über die Ereignisse („Sag, dass es dir Leid tut!“). Als eine Art Comicrelief bleibt zwischen all dem hochtrabenden Ernst nur die Figur des lispelnden Schriftstellers (Moritz Rinke), der seine Geliebte aussperrt, um sich ganz seinen Leitartikeln widmen zu können.

Das Erschreckende an „September“ ist vielleicht weniger die übertriebene Bedeutsamkeit als vielmehr die Tatsache, dass die Autoren und der Regisseur keine der Figuren wirklich sympathisch finden wollen. All die Charaktere sind nur Erfindungen, an denen etwas deutlich gemacht werden soll, und sei es, dass ihr Schöpfer schlauer ist als sie. Mit solchen Papierfiguren lässt sich das eigene September-Erlebnis nicht teilen.

BARBARA SCHWEIZERHOF

„September“, Regie: Max Färberböck. Mit Moritz Rinke, Nina Proll, Catharina Schuchmann u. a. Deutschland 2003, 105 Min.