Kunst auf Space-Age-Mission

Sean Topham zeichnet in „Where’s my Space Age?“ die wechselvolle Faszination der Weltraumforschung für Design und Kunst nach

Nach der Pleite des Londoner Millennium Dome ist es durchaus berechtigt, nach dem Verbleib der Space-Age-Ära zu fragen. Immerhin gibt es noch den Future Space: Im Juni entsendet Großbritannien im Rahmen der ESA Mars Mission eine Sonde, die mit einem Erkennungssignal ausgerüstet ist, das von Blursänger Damon Alban komponiert wurde, dazu kommt eine von Damien Hirst bemalte Displaytafel, die natürlich weltraumhitzebeständig ist. Schon in der Covergestaltung ironisiert Sean Topham, Autor von „Where’s my Space Age?“ (160 Seiten, Prestel Verlag, München 2003, 29,95 €) die Frage, ob das Raumfahrtzeitalter im 21. Jahrhundert nicht entbehrlich ist: Neonpink in PVC geschlagen werden bekannte westliche und sowjetische Ikonen des Kosmos und Designobjekte als Souvenirs in Logoform variiert.

Das Buch beginnt mit einem allgemeinen Abriss zur Raumfahrtgeschichte und endet mit der etwas spekulativen Interpretation von zeitgenössischer Kunst als dem neuem Wirkungsfeld der Sixties-Space-Kultur. Die Erforschung des Kosmos in der UdSSR wird zwar einbezogen, aber leider nur im Horizont des Kalten Kriegs, als ständige Panikreaktion auf den technologischen Fortschritt im Westen. Bis zum Schluss bleibt der Weltraum hinter dem Eisernen Vorhang für Topham ein Mysterium, über das „wir nie wirklich etwas erfahren haben“. Das lag allerdings weniger an der Propaganda der ehemaligen Ostblockstaaten, wie in „Where’s my Space Age?“ behauptet wird, sondern an der mangelnden Verwertbarkeit dieser Geschichte für die Medien im Westen.

Wirklich brillant erzählt Topham, wie die Designentwicklung von der Weltraumforschung profitierte und beeinflusst wurde. Vom ersten Erscheinen der Space-Age-Gestaltung in Form der Minikleider aus Aluminium- und Plastikplättchen, wie sie der frühere Architekt Paco Rabanne auf die Pariser Laufstege der Sechzigerjahre schickte, reicht der Bogen bis hin zu bewusstseinserweiternden, aufblasbaren Audio-Sitzkapseln der österreichischen ArchitektenHaus Rucker Co. Auch futuristische Wohnmodule, Computerverkleidungen und die legendären aufklebbaren Letraset-Schriften gehören in dieses Archiv. Topham illustriert nicht nur den Mainstream, sondern verdeutlicht eine konstante Kreisbewegung zwischen High and Low: das Auf- und Abflauen der Teflongläubigkeit zwischen 50er-Jahre-Euphorie und Ölkrise oder die Hinwendung zu umweltfreundlichen Materialien und Baustoffen – auch als Wiederverwertung des 60s-Style im Techno der 90er-Jahre.

Neben den etwas zu ausgedehnten Lobpreisungen der japanischen Cyber-Künstlerin Mariko Mori, die sich in ihren Arbeiten selbst als lebendes Manga-Girl und Alien-Supermodel ständig neu erfindet, stellt Topham auch Aleksandra Mirs ungewöhnliches Landart-Happening „First Female on the Moon“ von 1999 vor. Dabei errichtete die polnische Künstlerin mit Hilfe von Baggern eine Kraterlandschaft auf dem weitläufigen Strand von Wijk aan Zee in den Niederlanden, um vor Urlaubern und im Sand buddelnden Kindern die erste Mondbegehung nachzuspielen. Wie einst Neil Armstrong hisste sie mit einem Raumanzug bekleidet die amerikanische Flagge an der Nordsee. Danach wurde die Landschaft wieder planiert.

BETTINA ALLAMODA