orient und okzident – christentum und islam: ein historischer roman zu den kinderkreuzzügen

Historische Romane, das ist Geschichte light. Gut verpackt in Verwicklungen von Liebe und Abenteuer, lassen sie alte Zeiten mit ihren Schrecken, Grausamkeiten und Gefahren an uns vorüberziehen. Sie ermüden nicht mit Zahlen und Fakten – allenfalls im Anhang –, sondern halten mit einer spannenden Story bei der Lektüre. Gut ist ein historischer Roman dann, wenn der Autor die Fakten und Ereignisse studiert hat, diese klug in seine Fiktion einarbeitet und sie dennoch fantasievoll und leicht konsumierbar aufbereitet.

Peter Berling, unter anderem Produzent von Fassbinder- und Kluge-Filmen, hat einen solchen historischen Roman über die Kinderkreuzzüge im 13. Jahrhundert geschrieben. Die Quellenlage ist dünn. Berling hat die wenigen Niederschriften sowohl aus Europa wie der islamischen Welt aufgearbeitet. „Das Kreuz der Kinder“ beleuchtet die Armut in Europa, die Schrecken der Inquisition und die Verherrlichung von Jerusalem. Der Roman zeigt, wie Armut und Verzweiflung ihrer Kinder von religiösen Eiferern benutzt wurde und mit welchem Zynismus die Kirche das überflüssige „Gesocks“ von der Straße ins Elend laufen ließ. Er zeigt auch, dass zum Fundamentalismus nicht nur eine totalitäre Weltsicht, sondern auch totalitäre Charaktere gehören – ob im Christentum oder im Islam, in dieser Beziehung sind sie austauschbar.

Kinderkreuzzüge machten sich von Deutschland und Frankreich auf ins gelobte Land. Die Kinder starben an Hunger und den Strapazen der Reise, oder sie wurden von zwielichtigen Gestalten mit Rückendeckung der Kirche an Piraten verkauft. In klapprigen Booten, wie heute die Flüchtlinge aus Afrika, landeten sie nicht im heiligen Land, sondern auf dem Sklavenmarkt von Bejaia.

Am Hofe von Mahdia im heutigen Tunesien versammeln sich einige Sklaven und erzählen ihre Geschichte. Diese beschreibt die Brutalität des Mittelalters ebenso wie die überhöhte ritterliche Liebe und die gespannte Beziehung zwischen christlicher und islamischer Welt. Das Buch schafft den Balanceakt zwischen einer Story, die manchmal in Ritterkitsch abzugleiten droht, und Historie, indem die Figuren nicht als Helden, sondern als Gebrochene beschrieben werden.

Gebrochen ist auch das Verhältnis zwischen Kirche und dem Stauferkaiser Friedrich II., dem römischen Kaiser deutscher Nation. Ein Ring, im Besitz eines der Portagonisten im Buch, verrät des Kaisers Neigung zum Islam. Dass er sich auf Druck des Papstes hin dennoch zum Kreuzzug nach Jerusalem aufmacht, ist reines Machtkalkül. Dass ihm die friedliche Befreiung Jerusalems gelingt, ein Erfolg seiner Bereitschaft zum Dialog mit den muslimischen Herrschern. Berlings Buch ist ein schillernde Begegnung mit Kreuzrittern, Adligen, Emiren, Johannitern, Inquisitoren und den zwei Kulturen und Religionen. EDITH KRESTAPeter Berling: Das Kreuz der Kinder, Ullstein 2003, 503 Seiten, 24 EuroFOTO: ULLSTEIN/BILD-ARCHIV