Zum Polizeiskandal geprügelt

Erfurter Polizeidirektor hat offenbar massiv Einfluss auf den Prozess gegen drei Polizisten aus Thüringen genommen, die auf Bambule-Demo Zivilkollegen misshandelt haben sollen. Gegen die besteht jetzt Haftbefehl. Polizeichef muss Montag aussagen

von ELKE SPANNER

Nicht nur die drei prügelnden Polizeibeamten selbst, sondern auch ihr Chef, der leitende Polizeidirektor von Erfurt, Roland Richter, wird jetzt einen guten Rechtsanwalt brauchen. Im Prozess gegen die Beamten aus Thüringen, die auf einer Bambule-Demonstration im November Zivilkollegen aus Schleswig-Holstein dienstunfähig geprügelt haben sollen, wurde offensichtlich, dass der Erfurter Polizeidirektor massiv auf die Angeklagten, deren Verteidiger und den Ablauf des Prozesses Einfluss genommen hat. Am Montag soll er als Zeuge zu dieser Beeinflussung Stellung beziehen.

Mit ihrer Aussage in der vorigen Woche, in der die Polizisten die Vorwürfe der Anklage abgestritten hatten, haben sie der Aussage der Misshandelten und Zeugen widersprochen. Da sie sich damit offenbar keinen Gefallen getan haben, hatte Amtsrichter Thomas Semprich, in einem Telefonat mit einem der Verteidiger, diesem die Möglichkeit angeboten, „eine Prozesstaktik zu wählen, die den Angeklagten den Verbleib im Staatsdienst ermöglicht“: Sollten sie sich zu einem Geständnis entschließen, kämen sie mit einer Bewährungsstrafe von unter 12 Monaten davon. Ab einem Jahr Freiheitsentzug ist ein Polizist seinen Job los.

Die Angeklagten aber entschieden sich zu einer ganz anderen Taktik – unter offenkundiger Einflussnahme des leitenden Polizeidirektors von Erfurt. Der schickte die drei zum amtsärztlichen Dienst und ließ sie krankschreiben, entsprechend seiner „Fürsorgepflicht“, wie der Sprecher des Thüringer Innenministeriums, Fried Dahmen, erklärt: Die Beamten hätten nach dem ersten Prozesstag „psychisch angeschlagen“ gewirkt. Parallel rief der Polizeidirektor höchstselbst bei den Verteidigern an, um diese anzuweisen, beim nächsten Verhandlungstag einen Befangenheitsantrag gegen Richter Semprich zu stellen. Auch dessen Telefonnummer wählte der Polizeidirektor. Er regte gegenüber dem Richter an, wegen der ärztlichen Atteste den Prozess auszusetzen. Sollte er sich aber dagegen entscheiden, würden die Angeklagten selbstverständlich erscheinen. Was sie dann aber doch nicht taten. Die Konsequenz: Haftbefehl. Um diesen abzuwenden, wandte einer der Verteidiger unter Anspielung auf den Polizeidirektor ein, dass sein Mandant „offenbar nicht selbst entschieden hat, ob er heute hier erscheinen wird oder nicht“. Auch der Staatsanwalt äußerte seinen Eindruck, „dass die Angeklagten unter massivem Einfluss stehen“.

Ein juristisches Nachspiel könnte die Affäre auch für die Amtsärzte haben, die den Angeklagten Verhandlungsunfähigkeit attestierten – ohne Diagnose und Untersuchungsbefund, dafür mit exakt gleichem Wortlaut. Der Rechtsmediziner und Gerichtssachverständige Klaus Püschel bezeichnete es als „sehr ungewöhnlich“, dass „drei erwachsene Menschen, die durch ihren Beruf häufig Belastungen ausgesetzt sind, zur genau gleichen Zeit erkranken“. Auch Semprich wertete die Gutachten als „Gefälligkeitsgutachten“. Fazit des Richters: „Das habe ich so noch nie erlebt.“

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