Unterlaufene Genre-Konventionen

Erstmals gezeigt: Hellmuth Costards Beinahe-Spionage-Krimi „Vladimir Günstig – Eine trojanische Affäre“ im Abaton

Vor drei Jahren ist Hellmuth Costard gestorben, jetzt kommt endlich sein letzter Film, der Liebes- und Spionagekrimi Vladimir Günstig – Eine trojanische Affäre zur Uraufführung. Und wie die meisten Arbeiten des unermüdlichen Propagandisten eines „anderen Kinos“ passt auch diese in keine der üblichen Schubladen; es ist weder ein richtiger Genre- noch ein typischer Experimentalfilm, eben ein Costard-Film. Zudem das Werk eines geläuterten Hellmuth Costard, wie sein jahrzehntelanger Weggefährte und Kameramann Bernd Upnmoor meint, mit einem geradezu irrwitzigen Plot und ohne festes Drehbuch, dafür aber mit nicht ganz so wenig Geld wie früher realisiert.

Schon die beiden Ausgangspunkte des Films muten so phantastisch an, dass sie eigentlich nur wahr sein können – und es auch tatsächlich sind: Bei den Dreharbeiten zu seinem Film Aufstand der Dinge auf der Krim wurde Costard 1987 von KGB und CIA überwacht, ersterer setzte sogar einen ranghohen Offizier auf den Filmemacher an. Mit einem kleinen Team hatte Costard die „Sunmachine“, einen einfachen, aber sehr effektiven Sonnenkollektor entwickelt, der seiner Meinung nach alle Energieprobleme auf der Erde lösen könnte. Die Effizienz dieser Maschine wurde ihm sogar vom Max-Planck-Institut bescheinigt.

Im Film heißt besagter Agent nun Vladimir Günstig und ist ein Wolgadeutscher, von Costard mit perfektem landmännischem Akzent selbst gespielt. Einst vom KGB abkommandiert, um Hellmuth und seine bahnbrechende Erfindung ein Leben lang zu schützen, sucht er den Filmemacher 1998 in Oberhausen auf. Noch während des Kalten Krieges waren die Männer Freunde geworden, und so besteht die Aufgabe natürlich auch bei gründlich veränderter weltpolitischer Lage weiter. Günstig packt Costards Sachen, weil er ein Abtauchen für dringend geboten hält. Eine harte Nuss stellt nur die plötzlich auftauchende Noemi (Noemi von Alemann) dar, eine Freundin Costards, die Günstig mit einer von ihm selbst entwickelten Verhörmethode bearbeitet ...

An einem irgendwie klassischen Spannungsaufbau war Costard genauso wenig interessiert wie an ausgesucht kühnen stilistischen Experimenten. Und so liegt auch hier wieder die Stärke des Films im gelassenen Unterlaufen sämtlicher möglicher Erwartungshaltungen. Und so sollte man gerade wenn der Film mit seinem ewig vor sich hinmonologisierenden, wohl kuriosesten Agenten der Filmgeschichte irgendwann nur noch dahinzuplätschern droht, nicht abschweifen. Denn immer wieder stellt Costard mit unvermittelt eingeschnittenen Szenen interessante Bezüge her: zu Rudolph Valentino und dessen russischer Herkunft oder zu eigenen früheren Filmen wie Der kleine Godard von 1978. ECKHARD HASCHEN

Premiere (mit Gästen): Sonntag, 17 Uhr, Abaton