Spekulation, per Gesetz gefördert

In Deutschland werden erstmals hochriskante Hedgefonds erlaubt. Sie sollen die Lust am Aktiengeschäft wieder erwecken. Doch wenn sie scheitern, drohen riesige Verluste: 1998 crashte der Hedging-Star „LTCM“ und vernichtete 4 Milliarden Dollar

von HERMANNUS PFEIFFER

Bereits im März hatte Bundesfinanzminister Hans Eichel angekündigt, den deutschen Boden für hochriskante Hedgefonds endlich aufzubereiten. „Auch private Anleger sollen profitieren“, referierte der frühere Oberlehrer in einem Leitartikel für mehr Gleichheit zwischen Finanzprofis und Laien. Jetzt lässt Eichel Taten folgen.

Hedgefonds locken mit gewaltigen Renditechancen. In Zeiten schwacher Börsen und niedriger Zinsen erleben sie einen Boom. Der Name „Hedgefonds“ klingt durchaus solide (engl.: Rückversicherung), doch in Wirklichkeit sind solche Fonds hochbrisant, da sie mittels Termingeschäft oder Option auf Dollar oder Rubel wetten, auf arabisches Öl oder auf den sinkenden Kurs der Siemens-Aktie, und dies oft mit besonderer Radikalität. Über so genannte Leerverkäufe wird mit Wertpapieren spekuliert, die der Fonds nur geliehen hat: Er verkauft sie, um die Kurse nach unten zu treiben und sie dann billiger zurückzukaufen.

Der neue Finanzmarktförderplan soll heute als Referentenentwurf den beteiligten Ministerien präsentiert werden. Er sieht Hedgefonds als normale Geldanlage auch für Kleinanleger vor. Bislang dürfen nur Finanzprofis und die Finanzagentur des Bundes, die die Schulden des Staates managt, mit diesen risikoreichen Geldanlagen herumspekulieren. Dazu müssen sie Hedgefonds kaufen, die in Großbritannien oder Luxemburg zugelassen sind.

Das Finanzministerium will „hohe Anforderungen“ stellen, ein „ausdrücklicher Warnhinweis“ soll die besonderen Risiken hervorheben, und zudem dürfen Kleinanleger nur in Dachfonds investieren, die ihrerseits Kapital in mehreren Hedgefonds angelegt haben. Durch diese Streuung will Eichel das Risiko für Sparer beschränken.

Der Investmentverband BVI freut sich: Die Eichel-Modernisierung sei ein „Fortschritt für den Finanzplatz, ein Baustein, der bislang fehlte“, sagt ein Sprecher gegenüber der taz. Trotzdem ist die Wirkung auf die Finanzmärkte unter Experten umstritten. Unterm Strich sind die Hedgegeschäfte zunächst ein Nullsummenspiel, zu jedem Gewinner gehört nämlich auf der anderen Seite ein Verlierer. Dadurch können mit ihnen einerseits ganz normale Finanzgeschäfte abgesichert werden – daher auch ihr Name –, anderseits können Hedgefonds als zusätzliche Spekulation auf die Spekulation eingesetzt werden und einen Dominoeffekt auslösen. Sicher vor riesigen Verlusten sind solche Hedgefonds jedenfalls nicht.

Den bislang größten Flop landete 1998 der Fonds „Long Term Capital Management“. Den bankrotten Megafonds retteten dessen Eigentümer auf stillen Druck der US-Wertpapieraufsichtsbehörde SEC. 15 Banken, darunter die Deutsche Bank, kostete dies fast 4 Milliarden Dollar. Heute steht es wohl nicht viel besser um die Solidität. Eine Studie belegt, dass mehr als die Hälfte aller Hedgefonds an internen Mängeln scheitert. Auch aus SPD und Grünen sind Zweifel an Eichels Modernisierung zu vernehmen.