Präventive Verhaftungen im Iran

Im Vorfeld des für heute angekündigten oppositionellen Aktionstages werden zahlreiche Studenten festgenommen. Hungerstreikende fordern deren Freilassung und die Bestrafung radikaler Schlägertrupps. Abgeordnete schließen sich an

Konservative fordern eine härtere Gangart gegen „bezahlte Lakaien der USA“

von BAHMAN NIRUMAND

Im Vorfeld der für heute zu erwartenden Demonstrationen im Iran sind zahlreiche studentische Aktivisten festgenommen beziehungsweise von „Zivilgekleideten“ zu einem unbekannten Ort verschleppt worden. Zu den Inhaftierten gehören auch zwei Vorstandsmitglieder der größten Studentenorganisation Tahkim Wahdat, Abdollah Momeni und Mehdi Aminsadeh.

Sowohl die Machthaber im islamischen Gottesstaat wie auch die Opposition haben Vorbereitungsmaßnahmen für den heutigen 4. Jahrestag der Studentenunruhen von 1999 getroffen. Sämtliche oppositionelle Organisationen im In- und Ausland haben das Volk zu Protestdemonstrationen aufgerufen. Bereits im vergangenen Monat haben Studenten zehn Tage lang in Teheran und anderen Großstädten demonstriert und dabei den Rücktritt des konservativen Revolutionsführers Ali Chamenei und auch den des reformorientierten Staatspräsidenten Mohammed Chatami gefordert. Es kam dabei zu gewaltsamen Auseinandersetzungen vor allem mit den zivil gekleideten islamistischen Volksmilizen. Dabei wurden laut offiziellen Angaben rund 4.000 Demonstranten festgenommen.

Führende Konservative fordern jetzt eine härtere Gangart gegen „Unruhestifter“, die sie als „bezahlte Lakaien der USA“ bezeichnen. „Mit Menschen, die sich einer fremden Macht verkaufen“, dürfe man „kein Erbarmen“ haben, sagte Revolutionsführer Chamenei. Der frühere Staatspräsident Ali Akbar Haschemi Rafsandschani, die Graue Eminenz des Gottesstaates, bezeichnete die Demonstranten als „Zöglinge des Schah-Geheimdienstes Savak“, die den Auftrag erhalten hätten, Unruhe zu stiften. Das Schahregime wurde 1979 gestürzt.

Das Innenministerium hat für heute und die Tage danach jede Versammlung außerhalb der Universitäten verboten. Ob innerhalb der Universitäten Kundgebungen abgehalten werden dürfen, wurde den jeweiligen Rektoren überlassen. Die meisten haben Versammlungen untersagt. Prediger beim öffentlichen Freitagsgebet bezeichneten Proteste gegen den Gottesstaat als „Krieg gegen Gott“. Für eine solche Tat sieht das islamische Gesetzbuch die Todesstrafe vor. Die Justiz hat bereits Höchststrafen für festgenommene Demonstranten angekündigt.

Zwei inhaftierte Studenten sind offenbar zu Geständnissen gezwungen worden. Sie haben erklärt, einige Parlamentarier der Reformfraktion hätten die Unruhen geplant und die Studenten zur Teilnahme an Demonstrationen angestiftet. Es wird erwartet, dass in den nächsten Tagen weitere „Geständnisse“, die eine vermeintliche Zusammenarbeit von Protestlern mit ausländischen Geheimdiensten belegen sollen, veröffentlicht werden.

Seit Tagen versucht die konservative Presse die Aktivitäten der Opposition als ein Machwerk der USA darzustellen. Der Internetdienst Emrus meldet, dass in den letzten Tagen Einreisebedingungen für ausländische Reporter und Fotografen erheblich erschwert und die Büros einiger ausländischer Medienvertreter durchsucht worden seien.

Demgegenüber haben Studenten in mehreren Städten mit Hungerstreiks gegen die Verhaftungen und Verschleppungen protestiert. Sie fordern die Freilassung ihrer Kommilitonen und die Bestrafung der Schläger, die bei einem Überfall auf ein Studentenheim zahlreiche Studenten zum Teil lebensgefährlich verletzt haben. Auch Mitglieder der Reformfraktion im Parlament haben sich den Forderungen der Studenten angeschlossen. Vier Parlamentarier, darunter Fatemeh Hakikatju, die für studentische Angelegenheiten zuständig ist, haben mit einem 48-stündigen Sitzstreik gegen die im Land herrschende Willkür protestiert.

Die Atmosphäre ist äußerst angespannt. Die Studentenorganisation Tahkim Wahdat hat eine eine Erklärung veröffentlicht, in der es heißt: „Da uns für den 9. Juli keine Demonstrationen erlaubt wurden, werden wir uns an diesem Tag vor dem Büro der Vereinten Nationen versammeln.“