Bezahlen für verbotene Forschung

Heute verhandelt die EU-Kommission über die umstrittene Stammzellen-Forschung. Eine Mehrheit ist für deren Ausweitung. Deutschland wird aus ethischen Gründen dagegen stimmen – müsste sich aber trotzdem an der Finanzierung beteiligen

aus Brüssel GERD RAUHAUS

Heute wird es in der Europäischen Kommission wohl noch einmal heiß hergehen, wenn Präsident Romano Prodi das Thema Embryonenforschung aufruft. Vergangene Woche musste der heftig umstrittene Punkt verschoben werden. Bei der Mehrheit der Kommissare gibt es mittlerweile eine deutliche Tendenz zur Ausweitung der Forschung mit embryonalen Stammzellen. Wenn es nach dem für Forschungsfragen zuständigen Kommissar Philippe Busquin ginge, würde heute eine sehr weite Regelung beschlossen, die auch die Zerstörung von Embryonen einschließt.

Sein interner Vorschlag hatte in Deutschland und einigen anderen EU-Staaten Proteste ausgelöst, weil das „6. Forschungsrahmenprogramm“, um das es hier geht, von allen Mitgliedsländern finanziert wird. Darunter befinden sich einige, die die Stammzellforschung verbieten oder zumindest einschränken. Das wäre ein Novum in der Geschichte der Gemeinschaft.

Befürworter einer liberalen Regelung argumentieren, Europa dürfe sich gegenüber den USA nicht ins Abseits manövrieren. Einer näheren Prüfung hält das Argument allerdings nicht stand: Die Gesetzgebung der einzelnen amerikanischen Bundesstaaten weicht, ähnlich wie in Europa, stark von einander ab. Deshalb wird das bundesweit zuständige National Institute of Health (NIH) auf dem Gebiet nur sehr eingeschränkt gefördert. Es darf embryonale Stammzellforschung nur finanziell unterstützen, wenn die Stammzellen vor einem willkürlich gewählten Stichtag, dem 7. 8. 2001, hergestellt wurden. Die US-Regierung begründet ihre Regelung damit, dass die Embryonen, aus denen die Stammzellen kommen, bereits zerstört sind. Auch ohne Förderung würden sie nicht wieder zum Leben erweckt. Auch Busquin könnte wohl mit einer Stichtagsregelung leben, will diesen aber in die Zukunft legen.

Die Bundesregieung hat zu Beginn der Debatte wenig oder nichts getan, um die übrigen Regierungen in der EU auf ihre Seite zu ziehen. Die braucht sie aber für eine qualifizierte Mehrheit, um eine unwillkommene Kommissionslösung im Rat zu Fall zu bringen. Das in dieser Frage sehr kritische Parlament wird in diesem Fall nur angehört, kann aber nicht mitentscheiden. Italien, Irland, Österreich, Spanien und Portugal sind zwar auf Seiten der Skeptiker, doch der entscheidende Unsicherheitsfaktor ist Frankreich. Dort ist die Rechtslage zwar noch ähnlich wie in Deutschland, aber eine liberalere Lösung ist in Vorbereitung.

Die Kommission begründet ihr Bestreben, die embryonale Forschung auszuweiten, vor allem mit dem Hinweis auf den Fortschritt bei chronischen Krankheiten wie etwa Diabetes, Parkinson und Herz- oder Rückenmarkerkankungen. Die ethischen Bedenken gegen die Stammzellforschung sind gewichtiger als die finanziellen, denn die EU gibt gerade mal etwas mehr als eine halbe Milliarde Euro für die medizinische Forschung insgesamt aus – das amerikanische NIH hat mehr als das 50fache zur Verfügung.