Verkauf mir etwas Ungezähmtes

Alles kann man tauschen, nur die Jugend nicht: In „3 Engel für Charlie – Volle Power“ sind den Actionheldinnen Cameron Diaz, Drew Barrymore und Lucy Liu noch spektakulärere Auftritte vergönnt als im ersten Teil. Einen Preis hat der Spaß dann aber doch

von JAN DISTELMEYER

Filme dieser Art haben kein Problem mit dem geschäftlichen Teil der Kinoerfahrung. Sie müssen ihre Herstellungsbedingungen, ihre Künstlichkeit und ihren Warencharakter nicht verbergen, um im Kino eine eigene, geschlossene Welt zu behaupten. Die filmische Illusion, die aus Bildern und Tönen ein Ganzes webt, steht dabei nicht auf dem Spiel. Im Gegenteil: Offensiv treten Blockbuster wie die „3 Engel für Charlie“-Fortsetzung als erfolgreiches franchise auf. Werbematerialen lesen sich wie aufgepeppte Vorstandsberichte bei Aktionärsvollversammlung. Der production value muss nicht im Verborgenen Wirkung zeigen, sondern wird vorgeführt wie ein Mitarbeiter des Monats; das Preis-Leistungs-Verhältnis darf die Hauptrolle spielen. „Die Zuschauer wissen: Wenn wir eine Kinokarte lösen“, wirbt Produzent Leonard Goldberg, „werden wir prächtig unterhalten.“

In diesem Gestus eines unverkrampften Unterhaltungsgeschäfts ist „3 Engel für Charlie – Volle Power“ irgendwo zwischen Aufklärung und Hedonismus immer schon ganz bei sich. „Sell me sumthing big and untamed“, singt Pink in ihrem Soundtrackhit, und nach knappen 100 Minuten bestätigen Cameron Diaz, Lucy Liu und die einmalige Drew Barrymore, was wir schon die ganze Zeit fühlen konnten: „Feel Good Time“. Im Abspann lachen sich die drei Stars bei verhunzten Szenen scheckig. „Ihr hattet Spaß, weil wir Spaß hatten“, sagt die finale Collage, mit der wir als zufriedene Vertragspartner aus dem Kino entlassen werden.

Bis dahin hat sich das klar formulierte und über alle Kanäle lancierte Versprechen – „Mehr Action! Mehr Fun! Mehr Power!“ – wie folgt entwickelt: Die drei bewährten Geheim- und Privatagentinnen im Auftrag des Herrn Charlie müssen zwei Ringe zurückerobern, die als getarnte Datenträger alle Informationen über die Betroffenen des US-Zeugenschutzprogramms enthalten. Weil’s also ausgedachter kaum geht, erscheint gegen die krude Konstruktion dieses Casus Belli die Direktheit der „Engel“ umso angenehmer. Stärker noch als in Teil eins dürfen sich Natalie (Diaz), Alex (Liu) und Dylan (Barrymore) mit sich selbst beschäftigen, ihre eigene Geschichte aufrollen und auf Männerhintern schauen, um später in selbige zu treten.

Männer kommen darum in „Volle Power“ zwar jede Menge vor, dürfen aber nie mehr als Sidekicks oder Anlass zur Action sein. Ein irischer Ex (Justin Theroux) aus frühen Rockertagen sucht Dylan heim, Alex' Vater (John Cleese) darf sich in Sorge um seiner Tochter Profession etwas entblöden, und Natalie droht der Heiratsantrag ihres Freundes (Luke Wilson), der aber letztlich nur einen Hund in die gemeinsame Bude importieren will. Am schlimmsten hat es Bernie Mac als Bosley getroffen, der sich in der zutiefst undankbaren Rolle des Bill-Murray-Ersatzes wie sein eigener „Blackface“-Imitator über die Runden schleppt. „Mehr Fun“ geht anders.

Natürlich ist auch diesmal die Action-Selbstermächtigung der drei jungen Frauen („Ich habe euch Mädchen wohl unterschätzt.“ – „Ja, das passiert recht häufig!“) nicht umsonst zu haben. Das Spiel mit männlichem Voyeurismus und sexistischen Rollenzuschreibungen bedeutet bei McGs „3 Engel für Charlie“-Filmen stets auch eine Imitation jener Bilder, die überwunden werden sollen. „Real good, it's the same old same“, singt Pink.

So kommt es zu einem weiteren offenen Unterhaltungsgeschäft innerhalb der Filmerzählungen: großartige Motorcrossaction, Eins-a-Prügeleien und Freiflugsequenzen, gegen die 007 wie ein Sachbearbeiter im Innendienst aussieht, kosten im Gegenzug ein paar Playboy-Bunny-Auftritte, Table-Dance-Einlagen und andere Pflichtshows. Wie beim Warenaustausch wird das eine für das andere gegeben und vice versa. Ein selbstironischer Fluss des Bilderhandels durchzieht den Film, alle sollen auf ihre Kosten kommen, auch wenn in der Schlussbilanz – „Feel Good Time“ – stets die gestärkte Machtstellung der drei Heldinnen behauptet wird.

Dass „Volle Power“ sich dabei mehr als sein Vorgänger mit den „Engeln“, mit ihrer Vergangenheit und ihrer Zukunft, dem Älterwerden, beschäftigt, zeigt sich am deutlichsten im Auftritt von Demi Moore. Als Exengel und aktuelle Superschurkin hätte sie ihr Kino-Comeback im Alter von 40 Jahren als weiblicher Souverän feiern können. Dem Konzept von begehrenswerter Jugendlichkeit hätte Demi Moore etwas Neues, vielleicht Verwandtes und nicht minder Machtvolles entgegensetzen können.

Wie sie als Madison Lee dies nicht versucht, sondern von Anfang bis Ende jeden direkten Wettbewerb (vom Bikinicontest über den Unterwäscheauftritt bis zum Infight) annimmt und entschlossen oder verzweifelt für sich zu entscheiden sucht, könnte mindestens zweierlei bedeuten: zum einen, dass Demi Moore für sich das gleiche Recht auf Alterslosigkeit einklagt, wie es männlichen Actionhelden noch mit 60 gestattet ist. Andererseits aber könnte Moores Figur auch von einer weiteren traurigen Regel der Unterhaltungsökonomie der „Engel“ erzählen: dass Jugend gegen nichts eingetauscht werden kann.

„3 Engel für Charlie – Volle Power“. Regie: McG. Mit Drew Barrymore, Cameron Diaz, Lucy Liu u. a. USA 2003, 100 Min.