EU fördert verbotene Embryonenforschung

EU-Kommission einigt sich auf Stichtagsregelung. Stammzellforscher dürfen damit über 100.000 Embryonen nutzen

BRÜSSEL taz ■ Nach langen internen Kämpfen hat die EU-Kommission gestern Richtlinien für die Forschung an embryonalen Stammzellen beschlossen. Der für Forschung zuständige Kommissar Philippe Busquin konnte sich nicht mit seiner Idee durchsetzen, Embryonen erst ab einem Zeitpunkt nach In-Kraft-Treten der Richtlinie zu schützen.

Nun ist beschlossen, dass bei der künstlichen Befruchtung überzählige Embryonen nur benutzt werden dürfen, wenn sie vor dem 27. Juni 2002 gezeugt wurden. Damit geht die Richtlinie weit über die deutsche Gesetzgebung hinaus. Hierzulande dürfen nur Zelllinien genutzt werden, die bereits vor dem 1. Januar 2002 etabliert waren. Nach dem Kommissionvorschlag hingegen dürfen alle bei der künstlichen Befruchtung angefallenen überzähligen Embryonen genutzt werden, die vor dem Juni-Stichtag eingefroren wurden. Insgesamt dürften das allein in den EU-Mitgliedsstaaten weit über hunderttausend sein.

Dass die EU-Kommission sich überhaupt für einen Stichtag ausgesprochen hat, ist vermutlich auch auf den Brief von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und 170 MitunterzeichnerInnen zurückzuführen. Sie forderten, dass bioethische Richtungsentscheidungen der EU im Einklang mit den Verfassungsgrundsätzen der Mitgliedstaaten stehen müssten.

Die Befürchtung Busquins, es könnten bei einem zu frühen Stichtag nicht genug Stammzelllinien zur Verfügung stehen, versuchte im Vorfeld der deutsche Molekularbiologe Hans R. Schöler auszuräumen: Für die Grundlagenforschung würden weniger Zelllinien benötigt als von Busquin angenommen.

GERD RAUHAUS/WLF

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