zwischen den rillen
: Thronstreit im R ’n’ B: Beyoncé Knowles und Ashanti

Zurück in die Plattenkiste

Im Grunde ist Beyoncé Knowles dafür prädestiniert, die Diana Ross ihrer Generation zu werden: ein großer Weltstar, eine Diva, ein Fashion-Icon. Sie verspricht, auch in zwanzig Jahren noch on top of the game zu sein.

Da ist ihre Stimme, die man sofort erkennt. Nicht weil sie über die Maßen virtuos wäre, sondern weil sie nach gerade einmal vier Jahren im Musikgeschäft schon einen Stil hat, eine ganz eigene Art, bestimmte Phrasen zu singen. Da ist ihre Cleverness. Jede Karriere-Entscheidung, die sie bisher getroffen hat, hat sich als goldrichtig erwiesen. Ob es die Idee war, mit ihrer Gruppe Destiny’s Child ein Debütalbum einzuspielen, das mit ihren Beschimpfungen selbstgerechter Jungs einen schönen Kontrapunkt zu den Posen lieferte, mit denen männliche Rapper ihren Lebensunterhalt verdienen. Ob es „Independent Woman“ war, jene Single, mit der sich Destiny’s Child vorübergehend auflösten, um ihre Mitglieder in die Unabhängigkeit einer Solokarriere zu entlassen. Ob es ihre Nebenrolle im letzten Austin-Powers-Film war, mit der sie sich in Erinnerung rief. Oder ob es ihre Affäre mit Jay-Z war, dem erfolgreichsten Rapper New Yorks, an der man dank mehrerer Duette teilhaben konnte. Doch ihr Debütalbum „Dangerously In Love“ ist nun nicht der große Wurf geworden, den man da erwartet hätte.

Dabei hatte die fantastische Vorabsingle zu den größten Hoffnungen Anlass gegeben. „Crazy In Love“ ist ein Sommerhit allererste Güte. Anstatt sich ihren Sound bei den allgegenwärtigen Neptunes abzuholen, ging Beyoncé einen ähnlichen Weg wie Nas, als er im Winter für „Made You Look“ das alte Apache-Sample herauskramte: zurück in die Plattenkiste. Über dem treibenden Bläsersatz eines alten Chi-Lites-Samples singt Beyoncé davon, wie crazy ihr Baby sie mache. Hat man das Stück einmal gehört, erfreut man sich noch tagelang an dem Umstand, dass es sich weigert, den Kopf zu verlassen.

Mit „Crazy In Love“, welches das Album eröffnet, hat Beyoncé ihr Pulver aber dann leider auch fast schon verschossen. Natürlich gibt es noch mehrere Stücke, die man wahrscheinlich mögen wird, wenn sie sich durch das absehbare schwere Rotieren auf sämtlichen Musikkanälen erst einmal in die Gehörgänge gebohrt haben: etwa „Naughty Girl“, eine freihändige Coverversion des Donna-Summer-Klassikers „Love To Love You“. Doch die Stärke von Destiny’s Child waren immer die Uptempo-Stücke. Warum zwei Drittel der Songs auf „Dangerously In Love“ nun Balladen sind, das verstehe, wer will.

Ashanti war in den vergangenen Jahren ähnlich erfolgreich wie Beyoncé Knowles mit Destiny’s Child, stand aber für das genaue Gegenteil: Sie war das dependent woman, die ihre Karriere damit begann, Rappern wie Ja Rule oder Fat Joe ihre Liebe und Ergebenheit zu verkünden. Außerdem hat Ashanti eine nette und angenehme, aber keine außergewöhnliche Stimme.

Zwar verkaufte ihr Debüt einige Millionen Exemplare. Als sie aber im vergangenen Herbst den Aretha-Franklin-Preis als Entertainerin des Jahres Soultrain-Awards erhalten sollte, führte das zu einem Aufruhr nicht nur unter altgedienten Soulrecken – innerhalb kürzester Frist wurden fast dreißigtausend Protestunterschriften gesammelt, ein einmaliger Vorgang in der Geschichte dieses Grammy der Soul-Community.

Sie bekam den Preis zwar, aber ihr Ruf war ruiniert. Dann verlor ihr Duettpartner Ja Rule die verbale Schlacht gegen seinen Konkurrenten 50 Cent und zog sich zurück. Und als sei das noch nicht genug: Seit Monaten wird gegen Murder Inc, das Plattenlabel, das sie stolz als seine „Princess“ in den Markt eingeführt hat, wegen Verbindungen zum organisierten Verbrechen ermittelt; auf den Bruder des Labelchef Irv Gotti wurde im Februar sogar geschossen.

Erstaunlicherweise ist das zweite Album Ashantis, „Chapter II“, aber großartig geraten. Dass ihre Stimme vergleichsweise leicht ist, wird durch eine Produktion verdoppelt, die sich ihre Stimmung bei dem orchestralen Isaac Hayes der frühen Siebziger wegsampelt. Mit „Feel So Good“ gibt es außerdem eine wunderbare Coverversion des Barry-White-Klassikers „Playing Your Game“. Die Auswahl der Stücke ist abwechslungsreich. Da gibt es eine Pianoballade und ein an den Sound des Achtziger-R&B angelehntes Synthiepop-Stück. Nicht dass hier die Welt des R&B neu erfunden werden würde – aber was für ein schöner Sommer, der von dieser Platte begleitet werden wird.

TOBIAS RAPP

Beyoncé Knowles: „Dangerously In Love“ (Columbia/Sony); Ashanti: „Chapter II“ (Murder Inc./Universal)