Neues vom Lieblings-Thai

Kundenmagazine bieten längst nicht mehr nur Produktinformationen, sondern konsumorientierte Lebensentwürfe in stilbildender Prosa. So gesehen ist Audi schon längst auch ein Medienkonzern

von CLEMENS NIEDENTHAL

Früher gab es die Bäckerblume und die Apotheken-Rundschau. Später vielleicht noch das WOM-Journal des gleichnamigen Schallplatten-Supermarkts, dessen Verdienst es vor allem war, endgültig die Differenz zwischen Musikrezension und Werbeanzeige abzuschaffen. Inzwischen gönnt sich jede Marke mindestens eine Kundenzeitschrift. Und die kommt zumeist weitaus subtiler daher als das erwähnte Musikwerbeblättchen.

Denn Blätter wie das Volkswagen Magazin haben dabei durchaus Wuchtiges zu bieten. Sentenzen von geradezu analytischem Tiefgang beispielsweise zu finden etwa in einem Artikel über einen sportiven Kompaktwagen: „Alles, was in und um den Golf GTI geschieht, fügt dem Gesellschaftsgefüge ein neues Indiz hinzu.“ Eine vielleicht gar nicht mal so falsche These – die sich zudem vorzüglich auf die Kundenzeitschriften selbst münzen lässt. Sind die doch Reaktion auf einen tiefgreifenden Wandel in den fordistischen Warendemokratien – und zugleich die Apologeten dieser Veränderungen selbst. Anders gesagt: Kundenzeitschriften brauchen keine Industriegesellschaften mehr. Ihnen genügen die Konsumenten.

Auf dem Cover von easy living, dem Magazin des Energiekonzerns RWE, darf Mario Adorf deshalb schon mal kennerhaft den Rotwein schwenken. Mini International, das Heft zum Kleinwagen, widmet derweil eine hübsch geratene Themennummer der isländischen Hauptstadt Reykjavík, einem Ort, der zwar kaum größer als der BMW Mini selbst, dafür aber so cool und angesagt ist, wie es die Autobauer auch für ihren mobilen Widergänger beanspruchen. All die kleinen Björks mit den großen Augen, die da durch das isländische Nachtleben wuseln, so die sublime Botschaft der Lifestyle-Postille, würden natürlich auch gerne einen Mini fahren. Oder zumindest ihren Lidstrich im Außenspiegel des geduckten Retro-Renners nachziehen.

Denn das haben die Markenmagazine allesamt gemein: Längst erzählen sie nicht mehr vom Produkt allein, sondern entwerfen einen ganzen Lebensstil. Längst muss es nicht mehr „Ich kaufe, also bin ich“ heißen – sondern gerade umgekehrt: Ich bin, also kaufe ich. Und wie man eben so ist, das erfahren die lesenden Kunden und die konsumierenden Leser aus den Kundenmagazinen. Aus C@re von der Allgemeinen Ortskrankenkasse. Aus Mercedes, dem Magazin für mobile Menschen. Oder aus Zu Tisch, hinter dem sich die Spülmaschinen und Cerankochfelder von Miele verbergen.

Die Macher der Kundenmagazine sind indes natürlich nicht die Firmen selbst, sondern häufig renommierte Zeitschriften- und Buchverlage. Hoffmann und Campe beispielsweise gestaltet den printmedialen Auftritt von BMW, RWE und Deutscher Bank. Bei Gruner + Jahr werkelt man am Lufthansa Magazin und an DB mobil, einem hinlänglich bekannten, aber wenig einfallsreichen Heftchen. Hinter dem avancierten McK Wissen der Unternehmensberatung McKinsey & Company schließlich stecken die klugen und stilsicheren Köpfe der brand eins Wissen GmbH. McK Wissen ist übrigens auch am gut sortierten Zeitschriftenkiosk erhältlich, ein Weg, den Kundenmagazine inzwischen immer öfter wählen. Nicht nur deshalb handelt es sich bei ihnen schon seit geraumer Zeit um das einzige Wachstumssegment in der deutschen Presselandschaft.

Vom Kiosk aus könnte so manches Corporate-Publishing-Produkt auch zur echten Alternative für den engagierten Leser werden. Was eine Geschichte nicht ohne warenästhetischen Treppenwitz wäre. Denn während schon mach intelligentes Magazinkonzept an der nicht vorhandenen Experimentierfreude vonseiten potenzieller Anzeigenkunden scheitern musste, scheint selbige Experimentierfreude auf einmal erwacht, wenn die Anzeigenkunden selbst zu Herausgebern werden. Dann darf die asketische Covergestaltung schon mal an eine Langspielplatte voll mit Minimal Techno erinnern. Dann füllen Reflexionen über den Randstreifen gleich vier kulturphilosophische Magazinseiten. So geschehen in den StadtAnsichten, dem ohnehin ziemlich lesenswerten Magazin der Autostadt in Wolfsburg.

Lesenswert auch deshalb, weil das Heft weitgehend auf die sonst genreübliche Innovations-Rhetorik verzichtet. Denn auch das steht leider zwischen den Zeilen vieler Kundenmagazine: Auch nach dem abrupten Ende der New-Economy-Mythen wird eifrig ein runderneuertes Menschen-, Verzeihung Konsumentenbild postuliert. Und das sind jene modernen Nomaden, die mit dem Begriff Revolution höchstens das Attribut digital verbinden. Und dann so hippe Sachen sagen wie Katja, die PR-Agentin aus dem Audi Magazin: „Da ist mein Friseur, da ist mein Lieblings-Thai, der sogar von buddhistischen Mönchen geweiht wurde. Und hier gehe ich mit Christian sonntags manchmal auf den Trödelmarkt.“

Ist, so muss man mit Blick auf diese eigenartige Lebensstilprosa fragen, ein Autohersteller wie Audi nicht längst zum Medienunternehmen, zum Zeichenhändler geworden? Horkheimer und Adorno sprachen einmal davon, dass der Unterschied zwischen einer Chrysler- und einer Chevrolet-Limousine im Grunde illusionär sei. Diese Differenz immer wieder neu zu erfinden und zu kommunizieren, das ist wohl letztlich das Projekt einer Marke und mithin das Projekt ihres Magazins.