Merkantile Kultur

Sommer ohne Aix und Avignon: Catherine Deneuve und Isabelle Adjani unterstützen den Streik der Theaterleute

Wie Kartenhäuser stürzen die Festivals in Frankreich ein: Am Tag nach der Absage der „Francofolies“, dem Chansontreffen von La Rochelle, zog am Donnerstag das Opernfestival von Aix-en-Provence vorzeitig den Vorhang zu. Wenige Stunden später beendete Bernard Faivre d’Arcier bei einer tränenreichen Pressekonferenz unter einer Platane im Innenhof des Klosters St. Louis das 57. Festival von Avignon – noch bevor das größte Theatertreffen der Welt überhaupt begonnen hatte.

Auslöser für die brüsken Absagen der Festivals, von denen viele seit Jahrzehnten eine solide Existenz führen und von denen keines jemals zuvor ausgefallen war, sind die Proteste und Streiks von Schauspielern, Regisseuren und Technikern. Sie wehren sich gegen die Kürzungen in ihrer Arbeitslosenversicherung, die der Unternehmerverband „Medef“ wenige Tage vor Eröffnung der Festivals in einer Hauruckaktion mit ein paar Minderheitengewerkschaften unterzeichnet hat.

Diese weltweit einmalige Arbeitslosenversicherung sichert rund 100.000 Theaterleuten, die zwischen bezahlten Auftritten und unbezahlten Proben, Aufbauten und Schulungen jonglieren, das Überleben. Die 1936 von der Volksfront-Regierung eingeführte Subvention hat die Vielfalt im französischen Film und Theater und bei den Sommerfestivals möglich gemacht. Ihrer geplanten Kürzung würde ein Drittel der „intermittents du spectacle“ – mindestens 30.000 Schauspieler und Techniker – zum Opfer fallen. Zuvorderst jene, die in kleinen, jungen und experimentellen Truppen arbeiten.

Tatsächlich betrifft die Malaise in der Kultur jedoch einen größeren Kreis. Die Kulturschaffenden spüren, dass seit dem Regierungswechsel ein anderer Wind aus Paris weht. Dass erstmals in der französischen Nachkriegsgeschichte finanzielle Bedingungen den kulturpolitischen Diskurs bestimmen. Weil die „intermittents du spectacle“ diese „Merkantilisierung der Kultur“ in Frankreich anprangern, wird ihre Bewegung unterstützt. Auch wenn ihre Methoden umstritten sind.

Verschiedene Personen wie die Schauspielerinnen Catherine Deneuve und Isabelle Adjani, der Philosoph Jacques Derrida und die Historikerin Madeleine Rebérioux verlangen die Rücknahme des Sparprogramms auf Kosten der „intermittents“.

Der Chef des Kulturministerium jedoch hat nichts unternommen, um das absehbare Platzen der Sommerfestivals zu verhindern. Jean-Jacques Aillagon hätte klar sein müssen, dass die Theaterleute das Diktat aus dem Unternehmerverband unmöglich tatenlos hinnehmen konnten. Auf ihn, den ehemaligen Museumsdirektor des Centre Pompidou, richteten sich große Hoffnungen. Sie wurden enttäuscht. Auf dem Höhepunkt des Konflikts, beauftragte Aillagon am Dienstag dieser Woche die Verwaltung damit, die Kürzungen in die Praxis umzusetzen.

DOROTHEA HAHN