Fischer gibt sich als Brückenbauer

Der Bundesaußenminister lehnt in Washington die Entsendung deutscher Soldaten in den Irak ab. Nach Angaben Kofi Annans wird über eine internationale Stabilisierungstruppe mit UNO-Segen diskutiert. In diesem Falle hätte Berlin ein Problem

aus Washington MICHAEL STRECK

Im US-Kongress wurde CIA-Chef George Tenet von Senatoren zu Geheimdienstfehlern im Zusammenhang mit der Rechtfertigung des Irakkrieges „gegrillt“. General John Abizaid, der neue US-Oberbefehlshaber im Irak, redete endlich Tacheles und sprach vom Guerillakrieg. Die Opposition forderte, den Irak unter UNO-Verwaltung zu stellen. Und der TV-Sender ABC setzte sich über die heftige Kritik aus dem Pentagon hinweg und strahlte die Bilder frustrierter GIs aus, die kein gutes Haar an der Irakpolitik ihrer Regierung ließen.

Die aufgewühlte Stimmung in der US-Hauptstadt dürfte Joschka Fischer in seinen Warnungen vor dem Irakkrieg bestätigt sehen. Doch der Bundesaußenminister vermied es bei seinem Besuch, rechthaberisch aufzutreten. Stattdessen gab er sich als Brückenbauer. Europäer und Amerikaner müssten jetzt an einem Strang ziehen, „um den Frieden zu gewinnen“. Fischer wollte vor allem Normalität und Schulterschluss im Verhältnis zu den USA demonstrieren, das er mittlerweile wieder „ausgezeichnet“ findet. Es ginge nicht mehr darum, „die Debatten von gestern zu führen“, bemühte er sich, die Eiszeit deutsch-amerikanischer Beziehungen zu beenden, die im Streit um den Irakkrieg begann. Auch US-Außenminister Colin Powell sparte nicht mit versöhnlichen Worten, nannte die bilateralen Beziehungen „stark“ und sprach von einer „langen Geschichte der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Respekts“.

Doch die Beziehungen haben sich offenbar nicht so weit erwärmt, dass es auch für ein Treffen zwischen US-Präsident George W. Bush und Bundeskanzler Gerhard Schröder gereicht hätte. Insgesamt blieb es auch bei wohlmeinender Rhetorik. Fischer bot humanitäre Hilfe an und die Bereitschaft deutscher Firmen, sich beim Wiederaufbau im Irak zu engagieren. Den Wunsch der USA nach deutschen Soldaten lehnte er ab. Fischer bekräftigte die Haltung der Bundesregierung, dass an einen Einsatz deutscher Soldaten im Irak nicht zu denken sei, solange es dafür kein neues UNO-Mandat gebe. Die Sicherheitsratsresolution 1483 weise den Alliierten die Verantwortung im Irak zu. Sie deckt nach Ansicht Berlins die Entsendung von Truppen aus anderen Staaten nicht ab – eine Lesart, die Indien und Frankreich teilen. Die US-Regierung hält eine neue Resolution jedoch für unnötig, um zusätzliche internationale Streitkräfte einzusetzen.

Es ist aber denkbar, dass sich die USA auf ein neues Mandat der Vereinten Nationen einlassen. Wachsende Opfer unter US-Soldaten und die explodierenenden Besatzungskosten setzen die US-Regierung zunehmend unter Druck und lassen sie um internationale Hilfe buhlen. So signalisierte Powell bereits Entgegenkommen. Mit UNO-Generalsekretär Kofi Annan und einer Reihe von Regierungen habe er über eine stärkere Rolle der UNO gesprochen. Annan bestätigte, dass hinter verschlossenen Türen über eine internationale Stabilisierungstruppe mit UNO-Segen diskutiert werde.

Ein neues Mandat des Sicherheitsrates würde die Situation der Bundesregierung jedoch alles andere als vereinfachen. Die rot-grüne Koaliton wäre unter erheblichem Zugzwang und müsste konkrete Vorschläge über den Einsatz deutscher Truppen unterbreiten. Ein heftiger innenpolitischer Streit ist vorprogrammiert. Kritiker werden anführen, die Bundeswehr hat schon jetzt mit ihren Einsätzen die Kapazitätsgrenze erreicht. Doch viel schwerer könnte der Vorwurf wiegen, die Beteiligung deutscher Soldaten im Irak würde letztlich einen Krieg legitimieren, den die Bundesregierung so vehement abgelehnt hatte.