Straßenkunst

Der Begriff Street Art umfasst den komplexen Bereich künstlerischer Arbeit im öffentlichen Raum. Von der Verhüllung des Reichstags bis zum schlichten Sticker am Stromkasten: Straßenkünstler arbeiten mit unterschiedlichen Techniken und aus individuellen Motiven. Für einige ist es die Entwicklung einer eigenen grafischen Sprache, für andere die aktive Mitgestaltung des eigenen Stadtbilds.

Einige Varianten im Überblick: Graffiti sind die am weitesten verbreitete Form von Street Art. Im New York der Siebzigerjahre entstanden, entwickelten sich Graffiti aus dem Writing. Writing meint das schnelle Sprühen illegaler Schriftzüge, so genannter Tags. Die anonymen Signaturen überziehen Wände, Züge und Bahnhöfe. Da es vielen Writern primär um die Verbreitung ihres Namens geht (Fame), gilt oft: Masse statt Klasse. Bunte, großflächige Buchstabenbilder (Pieces) mit comicartigen Charakteren gehören ebenso zum Spektrum der Sprühkunst, die als viertes Element der HipHopkultur gilt. Wettbewerb und Konkurrenz beherrschen die Szene. Und es gibt Verhaltensregeln: Als gröbste Beleidigung gilt das Crossen, das Besprühen oder Übermalen eines fremden Pieces oder Tags.

Anfang der Achtzigerjahre etablierten sich zunehmend Schablonengraffiti in den Städten. Der Franzose Blek Le Rat sprühte lebensgroße Ratten und andere Figuren und nannte seine Bilder „Pochoirs“. Von Paris aus vergrößerte sich die Bewegung der „Pochoiristen“, die sich, anders als die Writer, verstärkt als Künstler betrachten. Ihre Figuren oder Schriftzüge, auch „Stencils“ genannt, wirken meist wohl bedacht und räumlich ins Stadtbild integriert. Ein wichtiges Qualitätsmerkmal von Street Art und Grund dafür, dass die Akzeptanz des Schablonengraffito in der Bevölkerung höher liegt. Momentan ist der Londoner Banksy mit seinen provokant-charmanten Motiven Star der Szene. Gerade gestaltete er ein Albumcover der britischen Band Blur.

In den Neunzigerjahren erweiterten sich die Spielarten der Straßenkunst. Gerade Berlin entwickelt sich zu einem Zentrum für internationale Künstler. Nach dem Mauerfall holen Berliner das nach, was Writer in München, Dortmund und Amsterdam längst vorgemacht haben. Berlin wird zur Graffitihauptstadt. Neben den markant gesprühten Silberbildern prägen heute Kreidezeichnungen, Wandmalerei oder Scherenschnitte (Cut-outs) das Straßenbild. Immer häufiger zeichnen und sprühen Künstler ihre Tags und Stencils auf Aufkleber und Plakate, die unkompliziert und Zeit sparend im Stadtbild angebracht werden.

Ordnungswidrigkeit oder Sachbeschädigung? Street Art ist und bleibt illegal. Wenn auch wildes Plakatieren und Stickerkleben in der Regel folgenlos bleiben, so wird seitens der Obrigkeit doch versucht, Sprüher strafrechtlich strenger zu verfolgen. Nach neuen Gesetzentwürfen soll das ästhetische „Verunstalten“ einer Hauswand generell als Sachbeschädigung gelten. Dabei geht die Rechtsprechung von einer Substanzverletzung aus. Ob Straßenkunst geahndet wird, richtet sich nach Art und Ort der Anbringung und besonders nach dem Inhalt. Sind politische Parolen involviert, könnte sich der Staatsschutz einschalten.

Links zum Thema: www.wooster collective.com Internationale Street Art, www.ekosystem.org Europäische Street Art, www.urban-art.info Galerie in Berlin, www.beatleprint.de Homepage der Fleischerei (offene Tage sind Donnerstag und Freitag), Berliner Street Art, www.banksy .co.uk Website des Londoner Schablonenkünstlers. SEBASTIAN HEINZEL